Auf der Leipziger Buchmesse

Vom 17. bis 20. März fand eines der jährlichen Highlights der Literaturwelt statt. Vier Tage, fünf Hallen, über zweitausend Aussteller und Veranstaltungen. Wie kann man das alles schaffen? Kann man nicht, muss man aber auch nicht. 2 Tage, 2 Besucherinnen, 2 Erlebnisberichte.

Donnerstag:

Am Vorabend habe ich mich durch 73 Seiten Programm (nur für den einen Tag!) gelesen und mir ein paar interessant klingende Veranstaltungen herausgesucht. Ich habe nur einen Tag und den will ich schließlich gut nutzen! Schon vom Programm fühle ich mich einigermaßen überfordert. Donnerstag morgen gegen elf komme ich auf dem Messegelände an. Bis ich meine Eintrittskarte und einen Hallenplan in der Hand halte und meine Jacke abgegeben habe, ist eine halbe Stunde vergangen. Zuerst geht’s bei Literaturkritiker Denis Scheck vorbei, der in Druckfrisch-Manier das Beste vom Büchermarkt vorstellt. Da das aber auch nicht spannender ist als im Fernsehen und ich außer den Rücken von großen Menschen vor mir nichts sehe, schlendere ich weiter zu einem Gespräch mit den Nominierten der Kategorie Sachbuch/Essayistik des Preises der Leipziger Buchmesse. Das ist interessant, aber so richtig kann ich mich auf das Gespräch nicht konzentrieren, ich war fünf Minuten zu spät und steh nun wieder ganz hinten, es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, und außerdem interessiert mich ebenso brennend, was an sämtlichen anderen Orten in den insgesamt fünf Hallen so passiert. Ähnlich geht es mir bei dem Gespräch zwischen Dieter Moor und Karen Duve (Anständig essen) und Ranga Yogeshwars Buchvorstellung (Ach so!).

Ein unerwarteter Höhepunkt ist die Lesung von Julius Fischer, dessen Buch Ich will wie meine Katze riechen, gerade bei Voland & Quist erschienen, mir wegen des skurril anmutenden Titels ins Auge gesprungen war. Ohne zu wissen, worum es geht, habe ich diese Lesung in mein persönliches Programm aufgenommen. Julius Fischer ist einer der besten Poetry-Slammer Deutschlands, erfahre ich vom Moderator, und sein Buch eine Sammlung von Slam-Texten, von denen er einige in gewohnter Poetry-Slam-Weise in Affengeschwindigkeit und mit hoher Witzdichte vorträgt. Tatsächlich witzig und kaum flach, und ein sehr sympathischer Typ, finde ich! Das kann man von Olli Dittrich, der nachmittags auf dem Blauen Sofa sitzt, nicht unbedingt behaupten. Oder versteht er sich nur einfach nicht mit der Moderatorin, die ihn viel weniger über sein neues Buch Das wirklich wahre Leben als über seine Dittsche-Rolle ausfragt? Für eine Stunde lasse ich mal die diversen Veranstaltungen ohne mich über die Bühne gehen, und bummel durch Halle 5, in der sich die die jungen, unabhängigen Verlage befinden. Ich bewundere die schön gestalteten kookbooks-Bücher, staune über das Projekt all the world’s a page und vertiefe mich in die wunderschön gezeichneten Bilder aus der Graphic Novel In meinen Augen. Eigentlich wollte ich mir die Preisverleihung des Preises der Leipziger Buchmesse anschauen, aber dann ist es in der großen Glashalle eisig kalt (haben die die Klimaanlage auf Höchstleistung gestellt, um so langsam die ersten Besucher rauszuschmeißen?) und Sitzplätze gibt es auch keine mehr. Also gehe ich stattdessen weiter auf Erkundungstour: Wie sieht’s denn in Halle 2 aus, bei den Kinder- und Jugendbüchern, der Fantasy und den Comics? Schade, hier leeren sich gegen 17 Uhr die Gänge bereits, und von den Manga- und Fantasy-Fans, die sich wahlweise als japanische Schulmädchen mit Uniformen und Perücken und als Elfen mit spitzen Ohren und wallenden Gewändern verkleidet haben, sind nicht mehr viele zu sehen.

Plötzlich ist es schon sechs und Zeit für mich zu gehen. Wo ist nur der Tag geblieben? Was ist mit dem Schwerpunktland Serbien? Was mit den Tendenzen auf dem eBook-Markt? Was mit der Lesung von Ulrike Almut Sandig, dem Gespräch mit Arno Geiger? Ein Tag Buchmesse ist definitiv zu wenig, stelle ich fest. Rückblickend bin ich froh, dass ich mir schon vorher ein paar Veranstaltungen ausgesucht habe, sonst wäre die Überforderung noch größer gewesen. Ein bisschen weniger Promi-Faktor, mehr kleinere, dafür nicht so überlaufende Events mit unbekannten Autoren, mache ich mir eine mentale Notiz für das nächste Jahr. Denn wiederkommen will ich auf jeden Fall. Dann aber mit mehr Zeit.

Leonie Langer

Freitag:

Die Messehallen sind noch nicht sehr voll mit Besuchern, da eher Fachpublikum anwesend ist. Ich schlendere entspannt von Veranstaltung zu Veranstaltung und höre mir Diskussionen über Übersetzen für die Bühne und die Strategien junger Verlage an. Die Schlussfolgerungen sind nichts neues (die Verlage vernetzen sich, sprechen Leser direkt an über Facebook etc), aber viel interessanter ist es, den Persönlichkeiten hinter den Verlagen zu begegnen – zum Beispiel Peter Reichenbach vom Mairisch Verlag, der über die Anfänge des Verlags in Hamburger Wohngemeinschaften erzählt.

Abends verstreuen sich die Messebesucher in den Cafés von Leipzig, um Autoren in intimeren Settings zu begegnen. Nach einem Versuch, in das alte NATO Kino reinzukommen, was aber zu voll ist, gelingt es uns, in die Lesung von Schöffling und Co zu kommen. Die Horns Erbe Bar, mit dunkler Holzvertäfelung und alten Möbeln, ist ein sehr schöner Ort dafür. Dort erleben wir eine vielfältige Auslese an Schöffling-Autoren, darunter Tanja Dückers, Monica Cantieni, Markus Orths und Ulrike Almut Sandig, die ihre Gedichte zusammen mit Gitarrenuntermalung aufführt. Ein quirliger Moderator rundet den Abend mit spielerischen Fragen an die Autoren und Wortspielen für das Publikum ab („können Sie raten welches in dieser Rezension fehlt?“). Der Abend geht weiter im alten Postgebäude auf der Party der Jungen Verlage.

Aus all den Eindrücken folgere ich: Die Messe ist ein interessantes Ereignis, um den Buchbetrieb live zu erleben. Schade ist, dass es überwiegend in den Messehallen und nicht nur in den abwechslungsreichen Cafés Leipzigs abläuft.

Joy Hawley

Foto von Anabelle Assaf

3 Kommentare zu „Auf der Leipziger Buchmesse“

  1. Mir hat die Buchmesse auch gut gefallen, aber (Achtung! Jetzt wird’s polemisch) ein wenig genervt haben mich die unzähligen als Mangazeichentrickfiguren verkleideten Minderjährigen, die nichts anderes taten, als durch die Hallen zu stolzieren, sich wahlweise von Gleichgesinnten oder von Päderasten fotografieren zu lassen oder Merchandising-Artikel (hoch im Kurs standen: Nietenhalsbände und Regenschirme) zu kaufen. Wirklich an Bücher (egal, welcher Art) schienen die nicht interessiert zu sein. Von daher mein konstruktiver Vorschlag: sie bekommen eine eigene Manga-Messe und schon gibt’s auf der Buchmesse weniger Gedränge…

    1. Polemik verlangt nach Reaktion

      Also ich empfinde die lustigen Cosplayer ja als eine Bereicherung und Auflockerung des Ganzen. Außerdem glaube ich fest daran, dass auch die Welt der Bücher, die sie dort erleben können, nicht spurlos an ihnen vorbeigeht. Wir wollen doch keine Messe nur für Branchenfuzzies (wie uns), Buchnerds (wie uns) und ältere Menschen. Die Mehr-Generationen-Messe ist das Modell der Zukunft!
      Dem Platzproblem in den Gebäuden ließe sich bspw. auch durch eine Öffnung der Halle 1 entgegenwirken, da man dann auch den Aufbau der Stände viel luftiger gestalten könnte. Aber das hat bestimmt wieder finanzielle Gründe.

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