Auf Magical Mystery-Tour – Sven Regener holt Karl Schmidt zurück

Man nehme einen gescheiterten Helden, ganz viel Musik und planlose Fahrten durchs Land – fertig ist der Pop-Roman. Mal ganz vereinfacht gesagt. Das ist nichts Neues, das ist nicht innovativ. So steht bei einigen deutschen Pop-Romanen am Ende der Lektüre eher ein Schulterzucken: kann man lesen (und kann geschrieben werden) – muss aber auch nicht sein. Doch es geht auch anders, besser.

© Galiani Berlin
© Galiani Berlin

Es gibt einige Musiker, die tolle Songtexte kreieren können, dies aber nicht auch automatisch in ihren Romanen schaffen. Da ging schon so manches Erstlingswerk in die Hose. Nicht so ist es bei Sven Regener. Er hat darin aber auch schon einige Übung. Man könnte sagen, er hat es noch immer drauf, aber das wäre wohl abgedroschen. Tatsache ist, dass er mit Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt einen prototypischen Pop-Roman vorgelegt hat, der sogar Herr Lehmann in den Schatten stellt.

Der Bremer Schriftsteller hat verstanden, wie es geht: Er kann nicht nur poetische und eigensinnige Texte für seine Band Element of Crime schreiben, er kann auch einen 500-Seiten-Roman vorlegen, der nicht langweilig wird. Zugegeben, der Protagonist Karl Schmidt als Ausgangsobjekt bietet bereits erstklassigen Stoff für einen Pop-Roman, aber gleichzeitig ist es wohl auch ein Wagnis, den besten Freund von Herrn Lehmann in den Fokus zu stellen. Ist das Ganze nachher nur ein Abklatsch? Schließlich waren die Nachfolger Neue Vahr Süd und Der kleine Bruder auch eher Versuche, an einen Erfolgsroman anzuknüpfen. Doch keinesfalls: Die Rückkehr des Karl Schmidt erreicht ganz eigene Horizonte.

Da ist also Karl Schmidt, der, wie wir wissen, in die „Klapsmühle“ gekommen ist. Fünf Jahre nach seiner drogeninduzierten Psychose, Entziehungskur und Wohnsitz in der betreuten Drogen-WG Clean Cut 1 in Hamburg, kehrt er als Charlie zurück nach Berlin und nimmt einen Job an, der für ihn schwieriger nicht sein könnte. Aber eigentlich hat er das alles auch total vermisst und deshalb steigt er ein. Mit dabei sind alte Freunde von ihm, allesamt Techno-Verrückte, Lolek und Bolek, die beiden Meerschweinchen, und ein mehr oder weniger durchdachter Plan: eine Magical Mystery-Tour, um den Techno in Deutschland zu verbreiten.

„Keine Richtung, kein Plan. Das gefiel mir ganz gut.“ Karl Schmidt steigt also in den Partybus, als Fahrer, als Klardenkender, und beginnt diese wahnwitzige Tour, auf der er inmitten Betrunkener die Kontrolle behalten muss. Ständig schwirrt einem die Frage im Hinterkopf: Wird er doch noch rückfällig? Und was ist eigentlich mit Herr Lehmann – gibt’s da noch einen Cameo?

Sven Regener schafft es hier, den Charakter Karl Schmidt zwischen dem „alten Psychozausel“, der regelmäßig von Paranoia und dem „dunklen Gefühl“ heimgesucht wird, und dem Mann anzusiedeln, der es wagt, die Herausforderung einer einzigen Drogen-Party-Alkohol-Tour anzunehmen. Als „Voyeur des Partyspaßes“, ständig „kontaktstoned“, lernt er zunächst das neue, ehemalige Ost-Berlin kennen, das ihn an seine Heimatstadt Bielefeld erinnert, und dann geht’s nach jeder Menge scharfen Nudelsuppen auf Tour. Mit einem Meerschweinchenparadies im Kofferraum quetschen sich die 10 Tourmitglieder in den Bus. Es geht von einem ins nächste Fluxi-Hotel, es wird gestritten, geliebt und Party gemacht. Alles frei nach dem Element of Crime-Motto „Diesmal, mein Herz, diesmal fährst du mit.“ Denn was dieses Magical Mystery eigentlich soll, weiß keiner so richtig, doch die Liebe soll immer dabei sein. „Es geht um das Ding mit der Liebe!“

So schlängelt sich der Roman, ganz wie die Tour durch Deutschland, dahin, mit netten und teilweise abstrusen Dialogen, Gedanken-Wirrwarr und Sätzen, die sich auch manchmal unnötigerweise über mehrere Seiten ergießen. Es ist ein Buch, das sich wie die Tour selbst lesen lässt. Mit Hochs und Tiefs, jeder Menge Bummbumm und zum Schluss kann man sich vielleicht nicht mehr an jede Einzelheit erinnern. Aber macht nichts, aus der Hand mag man es trotzdem nicht legen. Und am Ende denkt man sich: Gute, deutsche Pop-Romane gibt es doch noch. Und man bekommt auch gleich wieder Lust, „Damals hinterm Mond“ zu hören, weil Sven Regener es eben doch einfach drauf hat.

Sven Regener: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt. Roman. Verlag Galiani Berlin 2013. 512 Seiten. Gebunden. 22,99 €

Einen Lesungsabend mit Sven Regener sollte man sich also nicht entgehen lassen. Seine derzeitige Tour, zu der es noch Karten gibt, führt durch Bochum, Bremen, Erlangen und Berlin. Das Berliner Ensemble präsentiert Magical Mystery am 25. Februar und 12. März 2014 um jeweils 20.00 Uhr.

Sophie Gottschall
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