Emilia von Senger ist vieles: Buchhändlerin, Bookstagrammerin, passionierte Leserin…doch Unternehmerin stand bislang noch nicht auf der Liste. Das soll sich 2020 ändern, denn im Herbst wird Emilia eine Autorinnenbuchhandlung in Berlin eröffnen. Der Name steht auch schon fest: She Said soll der Laden heißen und ein bunter Ort des Austausches und der Vernetzung werden.
Gibt es ein Leben nach dem Tod? In Mariana Lekys Roman „Die Herrenausstatterin“ geht es nicht etwa um die „Himmel oder Hölle“-Frage, sondern darum, wie man die Trauer bewältigt, wenn der Tod ins Leben tritt und sich plötzlich alles ändert.
Obwohl der Roman Die
Herrenausstatterin bereits 2010 im DuMont Verlag erschienen ist,
erfreut sich die Literatur von Mariana Leky seit der Veröffentlichung
ihres Romans Was man von hier aus sehen kann, neu gewonnener
Beliebtheit. 65 Wochen lang stand das Buch auf der
Spiegel-Bestsellerliste und war 2018 das Lieblingsbuch der
Unabhängigen Buchhändler*innen.
Durch den Erfolg ihres vierten Romans
gewann Leky einige neue Fans dazu, die nun fleißig den
Leky-Lesestoff der letzten 20 Jahre aufarbeiten. Zugegebenerweise
identifiziere ich mich selber mit dieser Gruppe. Auch mein Weg zu Die
Herrenaustatterin begann mit Lekys Bestseller. Als ich das Buch
zu Ende gelesen hatte, packte mich eine derartige Verzweiflung, dass
ich wie ein Junkie auf Entzug noch am selben Tag zum Buchhändler
meines Vertrauens eilte, um mir Leky-Nachschub zu besorgen. Ich
wollte unter allen Umständen in der wunderbar melancholischen
Erzählwelt der Autorin bleiben.
Eine erfrischende und mutmachende Geschichte
Hauptprotagonistin des 206-Seiten
schmalen Buchs ist Katja Wiesberg, eine Anfang 30-jährige
Übersetzerin. Bereits auf den ersten Seiten erfahren wir, dass sich
etwas an dem überschaubaren Alltag von Katja ändern wird: Es
beginnt damit, dass ihr Mann Jakob verschwindet. Nicht etwa im
wortwörtlichen Sinn, sondern im Sinne einer sich aufbauenden Distanz
zwischen den beiden Eheleuten. Wie so oft in Lekys Romanen zeigen
sich die inneren Probleme ihrer Charaktere durch äußere Symptome:
Katja fängt an immer weniger zu sehen – auch Jakob ist nur noch
ein verwaschener Farbfleck vor ihren Tag für Tag schlechter
werdenden Augen. Ganz bewusst scheint ihr Körper die Ehekrise
verdrängen zu wollen. Ihre Freundin Eva versucht sie abzulenken,
doch während einer ihrer Spielabende erreicht Katja ein unerwarteter
Anruf, der, wie es schlimme Nachrichten an sich haben, ihr Leben in
ein „Vorher“ und ein „Nachher“ teilen wird.
Wie man es schafft, von einem
dramatischen Wendepunkt und einer von Liebeskummer geplagten
Protagonistin den Übergang zu einer erfrischenden und mutmachenden
Geschichte zu flechten, scheint zu Mariana Lekys Expertise zu
gehören. Denn auch in Die Herrenausstatterin schreibt die
Autorin tröstend davon, wie das Leben weitergeht, egal wie groß der
Schmerz und die Sorgen zu sein scheinen.
Schmerzhafte Splitter der Vergangenheit
Wie beschwerlich und mühsam dieser Weg
sein kann, und vor allem, dass man diesen Weg nicht allein gehen
sollte, wird trotzdem deutlich. Denn tief in ihrer Trauer steckend,
bekommt Katja Gesellschaft von zwei Charakteren, Blank und Armin, die
genauso skurril wie liebenswert erscheinen. Diese beiden
eigentümlichen Gestalten päppeln die Protagonistin mithilfe einiger
Liter Astronautennahrung, einem unerwarteten Trip nach Holland und
ihrer unermüdlichen Fürsorge langsam wieder auf.
Obwohl die Geschichte nach dem
Auftauchen der beiden Gestalten deutlich unterhaltsamer wird, rückt
Katjas Trauer doch nie ganz in den Hintergrund. Immer wieder tauchen
schmerzhafte Splitter ihrer Vergangenheit während ihrer Abenteuer
auf. Mithilfe der neuen Begleiter lernt sie die Trauer anzunehmen:
„Vermutlich nimmt es kein Ende“, sagte Blank dann. „Vermutlich nimmt es kein Ende, solange Sie leben.“ […] „Aber es wird leiser“, sagte er. „Ich verspreche Ihnen, dass es leiser wird. Irgendwann ist es ungefähr so leise wie ein Lied, das ein Nachbar in der Wohnung nebenan hört.“
Lust auf das Leben und die Liebe
Wahrscheinlich müssen die meisten Menschen mit einem von den Nachbarn immer wieder gespielten Lied leben; ein Lied, das sich eben nicht abschalten lässt und einen immer wieder unerwartet aus dem Alltag reißt. Die Herrenausstatterin erinnert daran, dass wir in unserer Trauer oftmals nicht alleine sind. Und dass auch ein „Leben nach dem Tod“ möglich und womöglich sogar unerwartet schön und anders sein kann, als man es sich in dunklen Stunden ausmalt. Es ist Lekys unvergleichbare Stärke als Autorin das Leben in all seiner Unvollkommenheit und Absurdität mit solcher Hingabe und Zuversicht aufs Papier zu bringen, dass sogar ein Buch, das sich hauptsächlich mit dem Tod und Trauer beschäftigt, plötzlich Lust auf das Leben und die Liebe macht.
Oder, um es mit Blanks, respektive Mariana Lekys Worten zu sagen: „Ich habe immer geglaubt, das Leben sei eine Einladung mit Tischkärtchen. Als müsste man sich, schon aus Gründen der Höflichkeit auf den Stuhl setzen, der einem zugewiesen wird, auch wenn es am anderen Ende des Tisches viel lebhafter zugeht. Ich möchte Ihnen sagen: Das ist ein Irrtum. Es ist eine Einladung mit freier Platzwahl.“
Die
Herrenaustatterin von Mariana Leky, erschienen 2010 im DuMont Verlag,
Köln. Seit 2015 auch als Taschenbuch erhältlich.
ISBN: 978-3832165178.
11€
Das zweite Buch des Booker-Preisträgers Aravind Adiga bedrückt, verunsichert und transportiert dabei eine gehörige Portion Pessimismus. Ein Reiseführer durch eine zerrüttete Gesellschaft.
Über seinen Text wird schon seit dem Jahr 2017 diskutiert: der Autor Aleksej Sal’nikov portraitierte eine Familie aus seiner Stadt Jekaterinburg. Auf Deutsch ist dieses Buch bislang noch nicht erschienen.
Smartphones, das Internet, selbstfahrende Autos – schöne Erfindungen, aber auch auf Kosten unserer Autonomie? Viele können sie nicht mehr hören, diese ewige Technologiekritik. Roger Willemsen formuliert sie in einer posthum erschienenen Zukunftsrede mit neuer Dringlichkeit.
Auch zum 4. Advent (und damit quasi letzten) Advent gibt es aus der Litaffin-Redaktion wieder ein paar Buchempfehlungen. Wir wünschen allen viel Spaß damit und besinnliche Feiertage!
Heinz Strunk legt mit seinem neuen Buch eine ebenso monotone wie grandiose Neuerscheinung vor. Seine Romane sind wie ein guter Whiskey. Mit seinem kräftige Aroma kein Highlight für jeden Gaumen, jedoch stets mit Hingabe und Leidenschaft hergestellt. Wer den feinen Tropfen goutiert, kennt seinen Wert und will ihn nicht mehr missen.
Die Anthologie „Das Herz verlässt keinen Ort, an dem es hängt“ versammelt Texte von geflüchteten AutorInnen aus Kriegs- und Krisengebieten. Die häufigste Antwort auf die Frage, was sie sich wünschten, war: „Weiterschreiben.“Mehr lesen
Garth Greenwell erzählt in seinem Debütroman Was zu dir gehört eine Liebesgeschichte zwischen zwei ungleichen Männern in Bulgarien. Vor dem Hintergrund eines Lands voller Tristesse schildert er in poetischer Prosa den Abgrund, der sich zwischen dem unbedingten Begehren und der Scham auftut.Mehr lesen
Wie stark Politik und Literatur ineinander übergehen, ist im Fall von Katalonien unübersehbar. Durch die vielseitige Auslegung ist es quasi unmöglich, eine klare Grenze zu ziehen. So ist auch die Frage spannend, auf welcher Sprache katalanische Autor*innen schreiben. Und wie ist ein Buch zu klassifizieren, das von Katalan*innen auf Castellano verfasst wurde?
Zartheit und subtiler Sprachwitz zeichnen Marion Poschmanns 2017 erschienen Roman Die Kieferninseln aus. Die Autorin, die vor allem für ihre Lyrik bekannt ist, sorgt auch mit ihren Prosawerken immer wieder für Aufmerksamkeit. So verwundert es nicht, dass Die Kieferninseln direkt auf der Shortlist für den deutschen Buchpreis stand und sie für ihr Werk mit dem Berliner Buchpreis 2017 ausgezeichnet wurde. Dieser ist nicht nur mit einem Preisgeld von 30.000 Euro dotiert, sondern beinhaltet auch die Berufung auf die Gastprofessur für deutschsprachige Poetik der Stiftung Preussische Seehandlung an der Freien Universität Berlin, die Poschmann im Sommersemester dieses Jahres antritt.
Ein Grund mehr, um sich genauer mit ihrem aktuellen Roman zu beschäftigen.Mehr lesen
Am 15. Februar lud der Wagenbach Verlag herzlich in die österreichische Botschaft ein. Der Grund: Milena Michiko Flašar hat seit 2012 das erste Mal wieder einen Roman veröffentlicht. Nach ihrem letzten Erfolg, „Ich nannte ihn Krawatte“, mehrfach ausgezeichnet und 2012 auf der Longlist des Deutschen Buchpreises, präsentiert die österreichische Autorin ihr viertes Buch, das am 2. Februar diesen Jahres das Licht der Welt erblickt hat: „Herr Katō spielt Familie“. Mehr lesen
„Mittelfinger sind keine Argumente“ – dieses Zitat aus Der Aufstieg des Mittelfingers hätte ebenso gut Titel dieses auf den Punkt gebrachten humorvollen Sachbuchs sein können, das jedem Maulheld im Internet, jedem ‚Das wird man doch wohl noch sagen dürfen‘-Sager und jedem Schlips, der sich den Schuhsohlen dieser Welt zu nahe fühlt, den Wind aus den Segeln nimmt. Jan Skudlarek geht dem Phänomen des Beleidigens aber auch des Beleidigtseins auf den Grund und nimmt uns mit auf seine Reise.Mehr lesen
Es ist 14 Uhr am Sonntagnachmittag im Heimathafen Neukölln. Man kennt sich und steht in kleinen Grüppchen zusammen, im vollen Foyer und draußen mit der obligatorischen Zigarette. Man hat schon viel gemeinsam gehört und gesehen an diesem Wochenende und spricht mit Expertise über die vorgetragenen Texte. Journalist*innen streifen mit Notizblöcken und Mikrofonen durch die plaudernde Menge und möchten wissen, „wie man es denn fand?“ Mehr lesen
Am Sonntag geht der open mike in die zweite Runde. Um elf Uhr beginnen die Lesungen, Literaturbegeisterte versammeln sich nach durchtanzter Nacht, ausgiebigem Schlaf oder auch üppigem Frühstück wieder im Heimathafen Neukölln, um den jungen Stimmen der deutschsprachigen Literaturlandschaft zu lauschen.Mehr lesen