Ein Buch fürs Wochenende

Als die Romanautorin Siri Hustvedt aufs Podium steigt, um eine Rede zur Ehren ihres verstorbenen Vaters zu halten, beginnt ihr Körper zu zittern. Mit ruhiger Stimme beendet sie ihren Vortrag, während ihr Körper bebt. Auch in Zukunft wird sie Vorträge halten. Bei manchen zittert sie, bei anderen nicht. Die konsultierten Ärzte, Therapeuten und Psychologen können keine eindeutige Diagnose stellen. Es könnte sich um Epilepsie oder gar Hysterie handeln. Hustvedt macht sich selbst auf die Suche nach einer Erklärung. Wie besessen liest sie die großen Psychologen, Poeten mit ähnlichen Leiden und vertieft sich in die Neuropsychatrie. Siri Hustvedt, die Autorin des wunderbaren Was ich liebte, erzählt in ihrem neuen Buch Die zitternde Frau ihre Geschichte und Hustvedt ist eine Geschichtenerzählerin. Denn „wahre Geschichten können nicht vorwärts erzählt werden, nur rückwärts. Wir erfinden sie aus dem Blickwinkel einer ständig sich verändernden Gegenwart und erzählen uns selbst, wie sie sich entwickelt haben.“ So erinnert sie sich an einen Autounfall. Sie denkt, während der Rettungssanitäter sie mit einer Rettungsschere befreit, dass dies hier nicht die schlechteste Art zu sterben wäre und dann „ich nahm mir vor, auf alles zu achten, denn falls ich überlebte, würde ich das Material womöglich in einem Roman verwenden können.“ Ich empfehle, Die zitternde Frau als Roman zu lesen und die Fußnoten (die auf theoretische Texte verweisen) nicht zu beachten. Ein Roman über eine emanzipierte Frau, die gegen Kontrollverlust ankämpft; die ihren Intellekt einer scheinbar unbezwingbaren Krankheit gegenüberstellt. „Erinnerungen sind veränderlich, aber auch kreativ“.

Kein Artikel über Hustvedt, und so natürlich auch dieser nicht, ohne folgenden Hinweis: Siri Hustvedt ist mit Paul Auster verheiratet.

Hustvedt liest am Montag, den ersten Februar im Babylon.

Die ersten 20 Seiten ihres Romans gibt es hier (PDF-Datei) zu lesen.

2 Kommentare zu „Ein Buch fürs Wochenende“

  1. Siri Hustvedt wirkt in der Tat in diesem Interview so, als hätte man sie direkt raus aus dem Zug und vor die Kamrea geschleift, sehr unglücklich das Ganze. Der Bahnhof ist aber auch ein merkwürdiger Ort, um über die Unerbittlichkeit in der Literatur und ähnliches zu reden.
    Abgesehen davon muss ich aber auch sagen, dass „Was ich liebte“ eines der wunderbarsten Bücher ist, die ich kenne. Von „Die Leiden eines Amerikaners“ war ich dann leider eher enttäuscht…

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