Eine Poetische Topographie Berlins

Wenn Studenten die Stadt Berlin unsicher machen und ihre Impressionen schreibend verdichten, kommt am Ende schon mal Literatur bei raus. Nun könnt ihr in einer Anthologie jene „literarischen Feuilletons“ nachlesen. Seid gespannt!

Zur Vorgeschichte: Der Schriftsteller David Wagner leitete vergangenes Wintersemester an der Freien Universität Berlin das Seminar „Poetische Topographie oder wie lässt sich die Stadt beschreiben?“ Anhand der Lektüre älterer Stadt-Feuilletons (Siegfried Kracauer, Walter Benjamin, Franz Hessel) und neuerer (Iris Hanika, Detlef Kuhlbrodt) ging es darum festzustellen, wie die jeweiligen Autoren Berlin im Wandel der Zeit erblicken und das Gesehene literarisch verarbeiten. Einige wählten den Zugang zur Stadt über die Erinnerung, andere versuchten sich in der nüchternen Analyse des Dargebotenen.

Nach der Theorie haben wir Feldforschern gleich den Seminarraum verlassen, um Berlin ebenfalls schreibend zu erkunden. Zunächst verbarg sich der Autor oder die Autorin noch größtenteils hinter dem klassischen Diktum: „Show don’t tell“ und berichtete sachlich von Geschehnissen vor der Haustür, in der Straßenbahn oder im Café. Aber bereits diese kleinen Alltagszenen tragen poetisches Potential in sich. Eine Kostprobe von Laura Gagliardi: „Hinter dem Tresen steht ein Mann. Eigentlich existiert er selbst nicht, lediglich seine Arme und Hände, die sehr schnell die Wünsche der Kunden vorbereiten.“

Schließlich bekamen die Texte mittels Kommentaren, Erinnerungen oder stilistische Variationen eine zunehmend persönliche Note. Die perfekte Mischung für teils zauberhafte, teils nachdenkliche Kurzgeschichten, die sich grob in die Themen „Unterwegs“, „Passagen“, Ku’damm“ und dem berühmt berüchtigten „Mauerpark“ einteilen lassen. Zu letzterem schreibt beispielsweise Natalie Schütze während eines Flohmarktbesuches in der ehemaligen Todeszone: „Die Bananen-Ostwitze sind zu EU-Gurkennorm-Spott geworden; unsere Mauern sind diffuser, unsere Kämpfe sind andere.“

Eine feine Auswahl der Texte haben wir nun in der Berlin Webcam – Eine Anthologie zusammengefasst und euch hier als pdf -Datei zum Download bereitgestellt. Ein großes Danke schön geht an dieser Stelle natürlich an die Autoren und Autorinnen des Seminars und ein extra Lob erhalten Laura Gagliardi und Dimitris Giannousakis, die zusätzlich das Layout und die Gestaltung übernommen haben. Vielen Dank!

Für alle Berliner ist die Anthologie als Anregung gedacht, (un)bekannte Ecken und Plätze mal mit anderen Augen zu betrachten. Und für alle Nicht-Berliner bietet es die kostengünstige Möglichkeit nach Berlin zu reisen, ohne sich vom Fleck bewegen zu müssen. An beide richtet sich aber die Aufforderung, es einmal den Studierenden gleichzutun und seine Stadt schreibend zu erkunden. Man glaubt gar nicht, was sich dabei alles (er)finden lässt.

3 Kommentare zu „Eine Poetische Topographie Berlins“

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