Boris Pfeiffer

Im Inneren einer singenden Waschmaschine – Ein Spaziergang mit dem Kinderbuchautor Boris Pfeiffer

„Wilmersdorf, das ist schon so’n bisschen original-berlinerisch.“ „Wilmersdorf?“ Erstaunen. „Ja, Wilmersdorf. Es gibt hier ein paar Alt-68er, die da zum Beispiel vorne links in der Kneipe sitzen, die Philosophen, die Musiker, die Kunstsammler, die Reichen und die Armen und es gibt viele Kinder hier. Es ist relativ berlinerisch, es ist licht, es ist breit und es lebt ohne so überbordend vereinnahmt worden zu sein, wie der Prenzlauer Berg.“

Boris PfeifferBoris Pfeiffer lacht. Er ist ein echter Berliner. Ein echter Wilmersdorfer. Hier wurde er geboren, hier verbrachte er große Teile seines Lebens. Und hier möchte er auch bleiben. Er überlegt schon lange, sich eine Wohnung zu kaufen in Berlin, in Wilmersdorf. „Da oben“, sagt er und zeigt auf eine Wohnung in einem schönen stuckverzierten Altbau am Ludwigkirchplatz, „da oben drin würde ich gern eine Wohnung haben. Wenn ich da eine Wohnung finde, dann würde ich umziehen!“

Boris Pfeiffer ist Kinderbuchautor. Neben Theaterstücken und Drehbüchern ist er vor allem für seine Abenteuer und Krimireihen für Kinder bekannt. Er schreibt Bücher wie „Die Akademie der Abenteuer“ und „Das wilde Pack“ zusammen mit André Marx. Auch die in Berlin spielende Kinderkrimireihe „Unsichtbar und trotzdem da“ stammt aus seinem Kopf. Aber bekannt ist er durch ganz andere Titel geworden. Buchideen, die zwar aus seiner Feder, aber eben nicht aus seinem Kopf kommen. Boris Pfeiffer baute zusammen mit Ulf Blanck die Reihe „Die drei ??? Kids“ auf. Eine Goldgrube für den Autor. Und auch für den Kosmos-Verlag. Als solche ist diese Reihe unter den drei ???-Fans auch verpönt, als Fortschreibung der prominenten drei ??? für ein sehr junges Publikum. Als Versuch, so viel wie möglich aus einem Titel und einem Stoff herauszuholen.

Wie passend, könnte man da böse behaupten, dass dieser Autor im eher wohlhabenden Wilmersdorf wohnt. Hat sein Schaffen doch kaum mehr etwas mit dem Klischee des armen, leidenden Kunstmachenden zu tun. Das könnte man meinen. Aber auch Boris Pfeiffer war nicht immer der Autor mit den lukrativen Verlagsaufträgen.

„Der muss ja high gewesen sein!“ – Der Weg zum Schreiben

Zum Schreiben ist er in der Schule gekommen. Er ging auf eine Waldorfschule, wo es neben Fächern wie Deutsch und Mathe auch mal eine Poetische Woche gab. Boris Pfeiffer fing schon früh an, Gedichte zu schreiben. Er experimentierte mit dem Ungewöhnlichen und schrieb das dann auf. „Zu dieser Zeit haben mich viele Schwule angemacht, weil ich schwul wirkte oder ich einfach nur auf schwule Männer wirkte. Und ich war natürlich jung und so und bin auch mal auf einen dieser schwulen Männer eingegangen, weil ich dachte, jetzt hast du die Chance, das zu erfahren, jetzt oder nie. Ich hab nicht mit ihm geschlafen, aber ich hatte mit dem Kontakt. Diese Erfahrung habe ich in meinem Gedicht verarbeitet und das habe ich meinem Lehrer gegeben, der da gar nichts mit anfangen konnte. Mein Lehrer sagte dann vor der Klasse über mich und mein Gedicht: ‚Der muss ja high gewesen sein.’“

Ob ihn das nicht abgeschreckt habe, so jung wie er war? „Nein nein, das fand ich gar nicht so schlimm, ich dachte, der weiß es nicht besser. Aber bei mir blieb trotzdem das Gedichteschreiben als sehr gute Möglichkeit und ich habe dann jahrelang weiter Gedichte geschrieben, also über meine Jugendjahre, die Sicht auf meinen Vater und weiß der Himmel, was. Und dann merkte ich, dass Gedichte ein schwieriges Feld sind, also auch rein Überlebenstechnisch.“ Er lacht. Es fällt ihm gar nicht schwer über Geld zu reden. Immer wieder nennt er Beträge, die er früher für seine Arbeit bekommen hat.

Boris Pfeiffer hat sich ausprobiert, ist von Zuhause abgehauen, hat experimentelle Theaterstücke geschrieben, ist lange Zeit Taxi gefahren – „Ich hatte genug Geld. Mit Taxifahren konnte man gut verdienen. Ich bin am Wochenende gefahren und hatte jedes Wochenende so ungefähr 500,- Mark verdient. Also jede Menge Kohle.“ Später hat er mehrere Studienfächer ausprobiert und ist schließlich mit einem irren, fragmentarischen, völlig unumsetzbaren Drehbuch bei einer Filmhochschule angenommen worden. Auch dieses Studium brach er ab, bekam danach aber mehrere Auftragsarbeiten: „Und dann habe ich halt als Assistent beim Fernsehen für so ein Boulevardmagazin verschiedene Stoffe entwickelt. Das lief darauf hinaus, dass ich wirkliche Mordfallgeschichten zur Abendunterhaltung verarbeitete, sodass sich das Abendpublikum daran ergötzen kann. Das war eigentlich purer Voyeurismus. Am Anfang hieß es noch, ich solle die Wahrheit so ordnen, dass man sie dramaturgisch verwenden kann, am Ende wurde es immer fiktiver. Ich werde nie vergessen, dass ein Redakteur von einem Fernsehsender über meine Sachen sagte ‚very touchy’. Das wollte ich nicht sein. Ich verdiente damals ja auch richtig viel Geld. Mit sowas konnte man im Monat viele Tausend Mark verdienen. Und das macht natürlich auch geil dieses Geld. Es ist geil, wenn man da mal 3000 Mark kriegt und da mal 1000 und dort noch mal 700.“

Auftragsautor und trotzdem kreativ – Wie geht das denn?

Und jetzt wieder Auftragsarbeit? Nervt das nicht? „Ja. Das beschränkt dich in deinem Ego. Und natürlich versuche ich meine wirklich eigenen Werke in den Vordergrund zu stellen. Es gibt genug von mir. Ich habe zusammen mit André ‚Das Wilde Pack’ erfunden, ich habe eine Berliner Krimireihe erfunden, ich habe die ‚Akademie der Abenteuer’ erfunden, eine Romanreihe, die mit der Historie spielt und mit dem Kampf von Geld und Werten. Ich habe verschiedene Jugendromane geschrieben. Ich werde nächstes oder übernächstes Jahr bei Ravensburger ein Buch herausbringen, wo es um skurrile, kurze Geschichten geht. Ich habe Theaterstücke geschrieben. Es gibt also mein eigenes Werk. Ich bin aber ehrlich gesagt den drei ??? auch sehr dankbar, weil ich ohne die –  vielleicht inzwischen knapp – , aber eigentlich könnte ich ohne die nicht unabhängig leben. Und es macht mir Spaß zu schreiben.“

Trotz der Auftragsarbeit und den vorgegebenen Charakteren spielt Boris Pfeiffer mit seinem Stil und liebt kuriose Sätze. Genau wie seine jungen Fans auch: „Kinder lieben ja auch skurrile Sätze. Also zum Beispiel ‚Justus Jonas fühlte sich wie ein Kuckucksei’ oder ‚Justus Jonas kam sich vor, als wäre er im Inneren einer singenden Waschmaschine gelandet’, das ist einer der größten Lacher, die ich bei Lesungen erziele oder die der Text erzielt. Das sind Sätze, die auf den ersten Blick nicht sinntragend, aber dennoch klar verständlich sind.“

Mit einem Mal springt Boris Pfeiffer auf die Straße und hebt einen im Sonnenlicht leuchtenden Cent auf. „Der bringt Glück“, sagt er und gibt ihn weiter. „Aber den musst du dann doch selbst behalten!“ „Nee, ich hab’ so viele. Ich hatte mal einen russischen Freund. Und der russische Freund hat mir gesagt: ‚Wenn du Geld findest, musst du das sofort verschenken, dann bringt es dir Glück.’ Ich halte mich nicht immer daran, aber wenn’s die Gelegenheit hergibt, mach ich’s. Obwohl ich auch schon sehr gerne selber Münzen auf der Straße finde.“

Foto: Uwe Neumann

 

2 Kommentare zu „Im Inneren einer singenden Waschmaschine – Ein Spaziergang mit dem Kinderbuchautor Boris Pfeiffer“

  1. Danke Peter! Spannende Menschen wie Boris haben eben auch spannende Geschichten zu erzählen.
    Generell finde ich gerade das gut an Litaffin, dass solche Reportagen neben Berichten aus dem Betrieb, Rezensionen und Veranstaltungsrückblicken stehen. Diese Ausgewogenheit sollten wir unbedingt bewahren!

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