Literatur, die durch den Magen geht

Dass nicht nur Liebe, sondern auch Literatur durch den Magen gehen kann, bewies die kulinarische Lesung am 13. Oktober im Restaurant „Coledampf‘s  and Companies“: Marcus Hernig las aus seinem Buch „Eine Himmelsreise. China in sechs Gängen.“ Dazu konnten asiatische Gerichte verköstigt werden.

Entstanden ist die Veranstaltung im Rahmen eines unserer Seminare der Angewandten Literaturwissenschaft, das von Thorsten Dönges vom Literarischen Colloquium geleitet wurde. Im Mittelpunkt des Seminars standen verschiedenen Bücher des Grenzgänger-Programms der Robert-Bosch-Stiftung, welche Autoren und Autorinnen fördert, die sich thematisch mit den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas auseinandersetzen wollen (litaffin berichtete bereits im Juni darüber).

Ein Semester lang haben wir nun unsere Köpfe rauchen lassen, um ein Konzept für diese Veranstaltung zu entwerfen.  Ein Moderator musste gefunden werden sowie die passende Location. Es wurden viele Telefonate geführt und unzählige Emails geschrieben, Anträge gestellt und Projektreffen veranstaltet. Zum Schluss zählte unsere facebook-Gruppe, in der wir uns über die organisatorischen Dinge austauschten, über 250 Nachrichten!  Als weitere Besonderheit kam hinzu, dass der Autor Marcus Hernig schon seit Jahren nicht mehr in Deutschland, sondern mittlerweile in Japan lebt. Einen Tag vorher stellte er sein Buch noch auf der Frankfurter Buchmesse vor, sodass alles sehr zeitgenau geplant werden musste.

Am letzten Samstag war es dann endlich soweit, und der lang geplante kulinarische und literarische Abend konnte beginnen! Veranstaltungsort war das Restaurant Coledampf‘s and Companies, in welchen die Verbindung von Literatur und Essen alleine schon durch die Einrichtung (Bücher und Kochutensilien) deutlich wird.  Das Besondere an dieser Veranstaltung war, dass die Gäste während oder zwischen den Lesungsteilen asiatische Gerichte verköstigen konnten, und somit gleich einen ganz praktischen Bezug zu Marcus Hernigs Buch erhielten. Moderiert wurde die Veranstaltung von Martin Tschendel, Projektleiter im Chinesischen Kulturzentrum. In einem Gespräch mit dem Moderator berichtete Hernig von seinen Recherchereisen in China und seinen Erfahrungen mit der chinesischen Ess-Kultur. Der Autor sprach mit Gourmets, Köchen und passionierten Essern und kam so durch der Esskultur auch der Psyche Chinas näher. Die Erkenntnisse stellte Hernig anschließend in seinem Buch vor, in welchen er  von seinen Erfahrung als „Westler“ in China berichtet. Thematisiert wird die Verbindung von Essen, Kultur und Gesellschaft in den verschiedenen chinesischen Städten und Provinzen.

Nach einer geselligen Essenspause folgte der zweite Teil der Lesung. Dieser beinhaltete ein weiteres spannendes Gespräch zwischen Autor und Moderator, in welchem es um Fragen ging wie „Warum mögen Chinesen eigentlich keine Schokolade?“ oder um die Schärfe des Essens. Thematisiert wurde auch die verschiedene Wirkung von Nahrungsmitteln auf den Körper. So gäbe es beispielsweise Gerichte, die kühlend wirken und dem Körper Energie entziehen und solche, die wärmend sind und dem Körper Energie geben (beispielsweise deftiges Essen) berichtete der Autor.

Als weitere Besonderheit bat der Autor den Künstler Ye Fang auf die Bühne. Ye gestaltete die beeindruckenden Kalligraphien in Hernigs Buch und beide verbindet eine langjährige Freundschaft. Auch ist er in vielen Passagen im Buch vertreten. Die Tatsache, dass der Künstler in Originalsprache redete und von Hernig gedolmetscht wurde, sorgte zudem für die passende, chinesische Atmosphäre. Der Künstler berichtete von der Tradition des Kalligraphie-Zeichnens und von kulturellen Salons, die er in seinem Garten in China veranstalte, um diese Tradition (sowie allgemein die chinesische Kultur) wieder mehr ins Leben zurück zu bringen. Denn diese sei in China oft auf das Museum beschränkt, so Ye. Im weiteren Verlauf ging es um die Tatsache, dass China für westliche Menschen oft als fremd empfunden wird. Der Moderator stellte Ye  deshalb die Frage, wie man die chinesische Kultur durch das Essen den Westlern näherbringen kann. „Ich hoffe, dass Hernigs Buch diese Funktion vielleicht erfüllen kann. Und zwar indem es die Beziehung zwischen Kultur, Politik, Gesellschaft und Essen deutlich macht und quasi über den Bauch, den Geschmack und die Sinne den Deutschen die chinesische Kultur näher bringt.“, so der Künstler. „Wie würden Sie die Deutschen aufgrund des deutschen Essens beschreiben?“ lautete die nächste Frage an den Künstler.  Viele Chinesen würden sich fragen, ob es in Deutschland überhaupt gutes Essen gäbe, berichtete Ye. Wenn man in China zum Beispiel in ein deutsches Restaurant gehe, gäbe es immer dieselben drei Dinge: Bier, Haxe und Wurst. Von den Deutschen habe man darum oft das Bild eines „kantigen, knallharten Fußballspielers“ im Kopf.  „Man bräuchte jemanden, der ein Buch über die deutsche Esskultur schreibt, das dann in China veröffentlicht wird, dann ist man weit gekommen.“, so der Künstler.

Zum Schluss hatte auch das Publikum die Möglichkeit Fragen zu stellen. „Inwiefern ist die chinesische exquisite Küche mit Tütensuppen und McDonalds zu vereinbaren?“, lautete eine der Publikumsfragen. Ye berichtete, dass auch in China das Problem vertreten sei, dass alles immer schnell gehen müsse und sich die Leute, wenn sie im Stress seien, nicht die Zeit zum Essen nehmen. Gleichzeitig wollen viele Fastfood Ketten einfach nur schnell viel Geld verdienen. Auch in China gäbe es deswegen den Trend zu Fast-Food, der aus den USA nach China kommt und zu Problemen wie Übergewicht und Herzkrankheiten führe.

Diese beiden Seiten machten deutlich, wie komplex und divers die chinesische Esskultur ist. Nach einer anregenden Diskussion endete der kulinarische und literarische Abend.

An dieser Stelle schon einmal eine kleine Ankündigung: Die nächste Grenzgänger-Lesung „Sibirien vom Hörensagen“ findet am 6. November im Kaffee Burger statt!

Marcus Hernig: „Eine Himmelsreise. China in sechs Gängen.“

Die Andere Bibliothek,

400 Seiten, 34,00 Euro

 

Fotos: Julia Fichtl (1-3), Ariane Bellgardt (4-6)

Foto 1: Martin Tschendel, Ye Fang, Marcus Hernig (v.l. nach r.)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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