Und was macht man damit? #19 Chris Möller

Zum Glück hat sich Chris Möller gegen Tropenhut und eine Karriere als Naturforscherin entschieden und ist somit in den sogenannten Literaturbetrieb gestolpert. Sie ist Mitbegründerin der Lesereihe Kabeljau & Dorsch und absolviert derzeit ihr Volontariat im Suhrkamp Verlag. Vorhang auf: 

Und was macht man damit: Chris Möller
Foto: Schirin Moaiyeri

Was wolltest du als Kind mal werden?
Es gibt einige Poesiealben, in denen steht, dass ich „Naturforscherin“ werden wollte. Was genau ich mir darunter vorgestellt habe, kann ich nicht mehr sagen, aber dass ich dabei einen Tropenhut getragen hätte, war wichtig.

Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?

Ich habe zweimal studiert. Zuerst habe ich mein erstes Staatsexamen in Philosophie und Germanistik in Kassel gemacht. Dafür habe ich mich sehr spät während der Abiturprüfungen entschieden. Ich hatte recht blauäugig gedacht, dass man sich als Lehrerin sein ganzes Leben mit den Themen umgibt, die einen selbst interessieren. Dass das der falsche Ansatz war und dass LehrerInnen vor allem gute PädagogInnen sein müssen, habe ich dann relativ bald während des Studiums gemerkt. Ich habe trotzdem weitergemacht, weil das einfach die längere, vielleicht intensivere Ausbildung war, als ein durchgehetzter Bachelor.
Das zweite Studium, der Master in Angewandter Literaturwissenschaft, war eigentlich Zufall. Ein Freund hatte die Ausschreibung gesehen, als ich gerade in Berlin nach einigen freien Projekten im Performance-Theater ein bisschen ziel- aber vor allem sehr arbeitslos war. Ich habe mich dazu entschieden, um meine Chancen zu erhöhen, im Kulturbetrieb Fuß zu fassen.

Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?

Praktika habe ich vor allem während des Lehramtstudiums an Schulen gemacht. Später in Berlin habe ich nur ein klassisches Praktikum gemacht; und das in einer Literaturagentur. Das liegt auch daran, dass ich während des Studiums immer arbeiten musste, um Geld zu verdienen. Ich habe so ziemlich jeden Nebenjob gemacht: Von Kaffee kochen auf einem Minigolfplatz über Tutorien und wissenschaftliche Jobs an der Uni bis zur Thekenleitung bei der ätzendsten Partyreihe auf dem Campus. Was mir davon wie viel genützt hat für diese ominöse unsichere Zukunft nach einem abgeschlossenen geisteswissenschaftlichen Studium, bleibt für mich eine offene Frage.

Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgabenbereiche?

Aktuell arbeite ich an zwei Orten. Das, was klassischerweise Arbeit genannt wird, passiert in einem Büro beim Suhrkamp Verlag. Ich bin dort Volontärin in der Veranstaltungsabteilung. Das heißt zum Beispiel, dass ich dafür sorge, dass AutorInnen sich in die richtigen Züge zu ihrer Lesung in Darmstadt setzen oder dass VeranstalterInnen sich rechtzeitig um DolmetscherInnen, Mikrofone oder Büchertische kümmern.
Für eine Auswahl an AutorInnen organisiere ich die Buchpremieren hier in Berlin, ich fahre auf die Buchmesse und stelle dort den Literaturhäusern unser kommendes Programm vor und ich schreibe extrem viele E-Mails.
Das, was nicht weniger Arbeit ist, nur weil es auch Spaß macht, oder angeblich in der Freizeit passiert, heißt Kabeljau & Dorsch. Das ist ein Label für junge Literaturvermittlung, mit dem ich in Berlin seit über drei Jahren verschiedene Veranstaltungen organisiere.
In dieser Zeit sind wir so sehr gewachsen, dass ich neben meiner Vollzeitstelle, hier eigentlich noch eine andere halbe Stelle besetze mit Aufgabenbereichen, die wir uns selbst erstmal erarbeiten mussten. Wir sind ein Team aus mittlerweile vier Personen und haben alles Anfallende unter uns verteilt. Redaktionell und kuratorisch sind wir alle beteiligt, zusätzlich verwalte ich zum Beispiel die Finanzen, betreue die Kommunikation einzelner Projekte und das Audio-Archiv. Und auch hier schreibe ich extrem viele E-Mails.

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Der eine ist ein Büro mit Computer, Drucker, Telefon, und sogar Fax-Gerät. Auf dem Schreibtisch steht liebevoll kuratierte Bürodeko.
Der andere ist eine Bar mit billigen Käsespätzle, eine U-Bahn, ein Fernbus, mein Bett oder ein Café, in dem man zu lange sitzt und nur einen Kaffee bestellt. Die Deko ist auch dort manchmal toll.

Was inspiriert dich an deiner Arbeit und was gefällt dir besonders gut daran?

Die Arbeit als Veranstalterin ist zum einen natürlich dann inspirierend, wenn man tolle Texte präsentieren kann. Noch schöner ist es aber dann, wenn dein Konzept neue Aufmerksamkeit für diesen tollen Text schafft, wenn es neue Zuhörer ins Boot holt, oder andere vermeintlich Zuhörende wieder aufweckt. Als diejenige, die Literatur auf eine Bühne holt, hat man es auch mit in der Hand wie und von vielen Leuten sie wahrgenommen wird; und das ist der Reiz für mich und ich glaube, da gilt es noch viel auszuprobieren.

Welches Buch liest du gerade abseits deines Arbeitsalltages?

Roman Ehrlich – Die fürchterlichen Tage des schrecklichen Grauens

Hast du noch einen anderen, aktuellen Berliner Kulturtipp?

Aktuell würde ich allen BerlinerInnen raten, sich Anfang Juni in einen Shuttlebus nach Hildesheim zu setzen.

Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?

Sicherlich eine Geisteswissenschaft, vermutlich sogar „irgendwas mit Literatur“. Aber es würde keiner von den Studiengängen sein, die ich schon von innen gesehen habe.
Wenn ich nochmal studieren würde, dann nur an einem Ort, an dem Niemand von Credits, Multiplechoice-Klausuren oder Anwesenheitslisten, sondern stattdessen über „den geilen Satz auf Seite drei“ spricht. Aber diesen Ort gibt es meines Wissens nach im deutschen akademischen System nicht oder nicht mehr.

Herzlichen Dank, Chris!

Ann-Kathrin Canjé
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