In eigener Sache:
Eine literarische Parade mit Nora Gomringer und Finn-Ole Heinrich

Rot leuchtende Wohnzimmerlampen, Vogelkäfige, Plüschmäuse, tanzende Skelette aus Papier über einer mit Sofas und Sesseln bestückten Bühne – ja, das Freudenreich in Berlin-Neukölln ist ein ungewöhnlicher Ort. Schon die Wahl der schrägen Eckkneipe als Rahmen für die Veranstaltung ließ erahnen, dass hier keine konventionelle Lesung stattfinden würde. Vielmehr erwartete das Publikum eine, so versprach es die Ankündigung, „literarische Parade ungewöhnlicher Begebenheiten an einem seltsamen Ort“.

Ein Artikel von Sarah Ehrhardt und Joy Hawley.

Im Mittelpunkt des Abends standen Nora Gomringer und Finn-Ole Heinrich, zwei junge deutschsprachige Autoren, die sich zwischen Kurzgeschichte und Film (Finn) und Lyrik und Slam-Poetry (Nora) bewegen. Speziell für diese besondere Lesung wurden die beiden von Studenten der Angewandten Literaturwissenschaft ausgewählt, um Text, Autor und Publikum gleichermaßen, jenseits bekannter Formate Raum zu geben. Aber wie genau sollte das funktionieren?

Nach einer kurzen Begrüßung durch die Moderatoren Doreen und Markus begann der Abend mit einem Spiel: Bereits im Vorfeld der Veranstaltung sollten Nora und Finn eine Kontaktanzeige verfassen und nun den Text des jeweils Anderen vortragen. Schnell zeigte sich, dass Schreibstil und Vortragsweise der beiden Autoren zwar sehr unterschiedlich waren, einander aber gut komplementierten. Mit gerunzelter Stirn und leicht verstellter Stimme las Finn seine Texte, wie ein Schauspieler bei einer szenischen Lesung. Nora hingegen las, nein sprach, ihre Texte im Stehen mit einer Energie, die ihren teils ironischen und immer überraschenden Texten noch mehr Schlagkraft verlieh. Während ihre Darbietungen von wuchtigen Slam-Poetry-Stücken bis zu lyrischen Miniaturen reichten, muteten Finns Kurzgeschichten bisweilen filmisch an. Eines hatten beide Autoren gemeinsam: Beim Lesen konnten sie das wuselige (bis an den Rand gefüllte!) Freudenreich – samt Barbetrieb und Stammkundschaft – zum Schweigen bringen.

Zwischendurch stellten die Moderatoren Fragen, gaben Diskussionsimpulse und ließen den Autoren manchmal einfach freien Lauf – was sich ergab, weil Nora und Finn sich bereits kannten und so im Gespräch eine eigene Dynamik entwickelten. Das Publikum wurde ebenfalls zur Teilnahme aufgefordert. So endete die Lesung mit einer Diskussion über die verschiedenen Ausdrucksformen der Autoren und über den Konflikt zwischen künstlerischem Schaffen und kommerzieller Verwertung. In jedem Fall war der Abend, was er sein wollte: eine literarische Parade, ein buntes Defilee von Spiel, Spaß, Ernst, Lyrik, Prosa, Frage, Antwort, Autor, Text und Publikum. Und die kurzweilige Kombination verschiedener Elemente war ein klarer Beweis dafür, dass viele Lesungsformen Literatur vermitteln können, auch auf ungewöhnliche Weise, an ungewöhnlichen Orten.

Dank und Glückwunsch an alle Mitwirkenden für diesen erfolgreichen Abend!

Fotos: © Lisa Heyse, Michael Traub

4 Kommentare zu „In eigener Sache: </br>Eine literarische Parade mit Nora Gomringer und Finn-Ole Heinrich“

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