Die Branche ist am Ende. Das gedruckte Buch ist klinisch tot und Amazon klaut uns nicht nur die Umsätze, sondern auch unsere Autoren. Und einen Verlag – wer braucht denn so was noch?
Die Branche ist am Ende. Doch Gott sei Dank gibt es noch jemanden, dem es schlechter geht – dem Branchennachwuchs.
Als Max vor einigen Jahren sein Literaturstudium begann, war seine Welt noch in Ordnung: Die Branche war ein großes unbekanntes Wirrwarr aus Menschen und Büchern und eine gehörige Portion Idealismus und Naivität sorgten dafür, dass er den Hinweis einiger Freunde, dort gäbe es ja nicht sonderlich viel zu holen, allenfalls belächelte. Denn er hatte einfach Lust auf Literatur und darauf, auch Anderen diese Lust zu vermitteln.
Um einen Platz in diesem Wirrwarr zu ergattern, machte er ein Praktikum, dann noch eins, dann noch eins und noch eins – nicht oder wenig bezahlt, versteht sich. Aber es ging ja um die Erfahrung, um Praxis und darum, den Namen auf seinem Lebenslauf verewigen zu können. Oh ja der Name – da ist er, der Türöffner. Und tatsächlich, die Türen öffneten sich, Stück für Stück.
Doch der Preis, den Max für diese offenen Türen zahlen musste, war hoch – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wenn Max in den vergangenen Jahren eins gelernt hat, dann ist es: Wer einen Platz in der Branche will, der braucht nicht etwa in erster Linie eine Affinität zur Literatur, sondern reiche Eltern und/oder einen unglaublich ausgeprägten Hang zur Selbstausbeutung.
Letzte Woche treffe ich Max auf der Messe in Leipzig. Wir quatschen über dies und das, seinen Werdegang, meinen Werdegang und den Werdegang unserer Freunde in der Branche.
Er erzählt mir die Geschichte von Anne, die sich nicht auf eine Stelle in der Presseabteilung, sondern – wie sich im Verlauf ihres Praktikums herausstellte – im Copyshop beworben hatte. Er erzählte von Hannes, zu dessen meistgeschätzter Praktikumsbeschäftigung die abendliche Säuberung der Kaffeeküche gehörte – gleich nach dem Gießen der Blumen, versteht sich. Oder auch Tinas Geschichte, die nach ihrem Master ein Volo machte, um dann – nach erfolgloser, halbjährlicher Bewerbung – einfach noch ein eins obendrauf zu setzen. Dass sie danach von ihrem Arbeitgeber nicht übernommen wurde, versteht sich von selbst. Die Begründung: zu überqualifiziert.
Und so ließe sich die Liste von an Frechheit grenzenden Arbeitsverhältnissen noch ewig fortsetzen. Doch wen wundert das schon in einer Branche, in der die Produktion eines Festivals gänzlich von Praktikantenhand übernommen wird und es Verlage gibt, die trotz ihrer Konzernzugehörigkeit für ein Volo schlechter zahlen, als der Staat im Falle einer Arbeitslosigkeit? Und auch, wenn man hier – zumindest, was den finanziellen Aspekt angeht – die Indie-Akteure natürlich ausklammern muss, reden wir hier nicht von ein paar schwarzen Schafen, sondern gleich einer ganzen Herde.
Fakt ist, dass ein Praktikum im Literaturbetrieb monatlich ein paar hundert Euro kostet und an ein Volo ohne Zweitjob oder reiche Großeltern kaum zu denken ist. Wie absurd dies auch sein mag. Na ja, aber wer will denn auch schon sein Geld in eine Reise oder ein Auto investieren, wenn man dafür eine ganze Reihe wundervoller Arbeitserfahrungen sammeln kann?
Niemand, ganz Recht. Denn wer in die Branche will, muss leiden. Und zahlen, äh, ich meine, investieren, natürlich. Das weiß doch jedes Kind. Und so gibt es selbst noch auf die unmöglichsten Ausschreibungen einen regelrechten run, denn niemand will leer ausgehen. Entweder ich akzeptiere wie der Hase läuft oder ich suche mein Glück in einer anderen Branche – so lautet die Quintessenz des Ganzen. So war es jedenfalls bisher.
Doch in den vergangenen Monaten und Wochen musste, ja durfte ich feststellen, dass immer mehr Kommilitonen und Kollegen über den Tellerrand des Literaturbetriebs hinausschauen und mit Jobperspektiven aus anderen Branchen liebäugeln. Obwohl es in den letzten Jahren eigentlich kein anderes Ziel als „die Arbeit mit Büchern“ gab, wird dies nun neu definiert, die Karten gemischt.
Natürlich geht es dabei auch ums Geld. Dass man in der Literaturbranche nicht reich wird, ist klar. Dass man jedoch als Nachwuchskraft an der Armutsgrenze lebt, ist ein Unding. Aber es geht auch um andere Dinge und Werte. Es geht um Respekt, Anstand und Wertschätzung. Es geht darum, einen attraktiven Arbeitsplatz zu bieten und Leidenschaft für Literatur zu fördern – nicht im Keim zu ersticken.
Während dieses Bestreben anderswo an der Tagesordnung steht, scheint der Betrieb eher darauf aus zu sein, seinen Nachwuchs zu vergraulen. Natürlich ist es verdammt schwer ein gutes Praktikum zur Verfügung zu stellen, aber wenn man nicht dazu in der Lage ist, sollte die Stellenausschreibung besser in der Schublade bleiben. Und übrigens: Nein, 500,- EUR für ein Volo sind nicht genug!
Es geht um die Art und Weise, wie mit dem Nachwuchs der Branche umgegangen und dabei leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird, hochmotivierte und top-ausgebildete Leute vom Hof zu jagen. Aber wer sollte es den zuständigen Entscheidern auch verdenken: Noch stehen die Bewerber Schlange. Zu selten wird der Mund aufgemacht, eher akzeptiert statt reagiert. Und wird dann doch mal die Stimme erhoben, so ist’s nicht weiter schlimm. Die Schlange ist lang und einer macht’s bestimmt.
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