#7: Zeigt her eure Bücher! Indiebookday 2019

Alle Jahre wieder steckt die Litaffin-Redaktion die Köpfe in die Bücherregale und zaubert ein paar Schätze aus den bunten Programmen der unabhängigen Verlage hervor. Hier sind unsere Empfehlungen für 2019. Wir wünschen einen frohen Indiebookday!

Rebecca empfiehlt: Luíz Ruffato »Ich war in Lissabon und dachte an dich« (Assoziation A  2015)

Luíz Ruffato: Ich war in Lissabon und dachte an dich © Rebecca Zeil

aus dem Portugiesischen von Michael Kegler

Nach Werken portugiesischsprachiger Autor*innen muss man in Deutschland leider noch lange suchen. Umso größer ist die Freude dann auf einen Schriftsteller wie Luíz Ruffato zu stoßen. Der brasilianische Autor erzählt in Ich war in Lissabon und dachte an dich die Geschichte von Sérgio Souza Sampaio, genannt Serginho. Um dem Alltagstrott der brasilianischen Kleinstadt zu entfliehen, bricht er nach Lissabon auf. Dort hofft er eine so gut bezahlte Arbeit zu finden, dass er später mit ausreichend Geld in die Heimat zurückkehren und ein neues, sorgenfreies Leben aufbauen kann. Die Leser*innen begleiten Serginho auf seinem Weg immer tiefer in die Bredouille, in die er sich manövriert, obwohl er doch eigentlich nur eine bescheidene Arbeit sucht. Schon bald wird deutlich, dass die Fassade seines Wunschdenkens genauso bröckelig ist, wie der Putz der heruntergekommenen Pension, in der Serginho untergekommen ist. Ebenso klar und schnörkellos ist die Ausdrucksweise Luíz Ruffatos, die Michael Kegler gekonnt in`s Deutsche übersetzt hat. Statt Anklagen oder Urteilen, tritt immer wieder ein feiner Humor aus der Erzählung hervor. Dabei wiederholt der Autor nicht den Pathos einer idyllischen Seefahrer Metropole, sondern vermittelt die harte Lebensrealität zahlreicher Migrant*innen in Europa.

Der Verlag Assoziation A setzt sich, nach eigenen Angaben, für das Schaffen egalitärer und solidarischer, gesellschaftlicher Verhältnisse ein und verlegt zu großen Teilen Sachbücher zu Themen wie, Antirassismus, Exil und Migration. Für den Schwerpunkt Lateinamerika sind die Werke Luíz Ruffatos schon langjähriger Bestandteil des Programms.

Unter dem Titel „Estive em Lisboa e lembrei de você“ wurde der Roman verfilmt, bisher existiert aber leider noch keine deutsche Version.


Lena empfiehlt:  Marie Darrieussecq »Unser Leben in den Wäldern« (Secession 2019), aus dem Französischen von Frank Heibert

Marie Darrieussecq: Unser Leben in den Wäldern © Lena Stöneberg

Wir befinden uns in einer vielleicht gar nicht allzu fernen Zukunft, in der Roboter die meiste Arbeit übernehmen und dem Menschen existenziell Konkurrenz machen, in der Klone als Ersatzteillager im Dornröschenschlaf gehalten werden und es total normal ist, durch technische Implantate und smarte Vernetzungen ständig online zu sein. Mit diesen entscheidenden Schritten in Richtung Digitalisierung wird allerdings auch eine in der Drastik nie dagewesene, umfassende Überwachungspraxis ermöglicht und die Unterscheidung von Mensch und Maschine wird zunehmend schwieriger und letztendlich obsolet. Es ist eine Zukunft des Turbo-Kapitalismus, in der ohne Ausnahme alles nutzbar gemacht und ausgebeutet wird, in der die soziale Ungleichheit immer weiter wächst und Rückgang und Vergiftung der Natur bei gleichzeitigem Wuchern des Urbanen die Gesundheit alles Lebendigen bedroht. Das autoritäre politische System schreckt nach mehreren Attentatswellen nicht vor Eliminierungen von kritisch Denkenden zurück. Marie, eine ehemalige Psychologin, schließt sich, gewarnt durch einen ihrer Patienten, der geheimen Fluchtbewegung der Rebellen in die Offline-Welt der Wälder an. Hier wird die große Revolution geplant, doch man ist sich uneinig und speziell für Marie wird die Zeit immer knapper…

Eine gelungene, kurzweilige Zukunftsdystopie, die – stilistisch verspielt – einen starken Sog entwickelt und mit düsterer Atmosphäre und bedrückender Dringlichkeit ganz ungut auf bereits gegebene Phänomene unserer Gegenwart aufbaut.


Charlotte empfiehlt: Friederike Beier, Lisa Yashodhara Haller, Lea Haneberg (Hg.) »materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität« (UNRAST-Verlag 2018)

Friederike Beier, Lisa Yashodhara Haller, Lea Haneberg (Hg.): materializing feminism © Charlotte Steinbock

Wer Lust hat, sich intensiv mit Feminismus auseinanderzusetzen, ist hier an einer sehr guten Adresse. Die Anthologie versammelt nicht nur exzellente theoretische Beiträge, sondern auch ausführliche Interviews mit Praktikerinnen zu ganz konkreten Fragestellungen. Die Beiträge bieten sehr konkrete kritische Ansätze, die abstrakte Theorien mit der Gegenwart und dem Alltag verbinden. Im Fokus stehen materialistische Theorien, eine Kritik an kapitalistischen Systemen und eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit so wichtigen Theoretiker*innen wie Karl Marx und Judith Butler, arbeiten sich aber auch an aktuellen Strömungen innerhalb der unterschiedlichen aktuellen Feminismen ab.

Eine Lektüre, die Lust auf Diskussionen macht.


Leonie empfiehlt: Das kleine Blumenbuch (Inselverlag 1933, heute Suhrkamp Insel)

Das kleine Blumenbuch © Leonie Hohmann

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass ich auf der Leipziger Buchmesse Das kleine Blumenbuch auf der Antiquariatsmesse in Halle 3 ergattert habe, nachdem ich schon lange gesucht hatte. Der Band ist einer der beliebtesten der Inselbücherei-Reihe, die der Inselverlag seit 1912 veröffentlichte. Es enthält 58 Zeichungen von Rudolf Koch, die von Fritz Kredel in Holz geschnitten wurden. Und am liebsten mag ich die Zeichnungen der Kornblume, das Klatschmohns und der Herbstzeitlosen. Im Laufe der Jahre verkaufte sich das Buch beinahe 500.000 mal. Wer nicht auf den nächsten Flohmarkt- oder Antiquariatsfund hoffen möchte, findet es neu aufgelegt aus dem Jahr 2014 bei Suhrkamp, zu dem der Inselverlag heute gehört.


Hier unsere Buchtipps aus den Vorjahren:
Indiebookday 2018
Indiebookday 2017
Indiebookday 2016
Indiebookday 2015
Indiebookday 2014
Indiebookday 2013

Charlotte Steinbock
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