Adventskalender: Zweite Woche

Ob ihr noch dringend ein Buch zum Verschenken oder zur Ablenkung vom Feiertagsstress sucht oder einen Film, vor dem ihr euch auf dem Sofa zusammenrollen könnt – im Litaffin-Adventskalender werdet ihr fündig.In unserem Adventskalender werden wir über den Dezember bis Weihnachten Rezensionen veröffentlichen, seid gespannt!Jeden Tag auf Instagram und am Wochenende hier auf litaffin.de 

Happiest Season (Film)

Eine lesbische Weihnachts-Romcom mit Kristen Stewart – was soll da schiefgehen? Leider so einiges. Eine Filmempfehlung unter Vorbehalt:

Harper nimmt ihre Freundin Abby, mit der sie seit einer Weile zusammen ist, an Weihnachten mit zu ihrer Familie. Auf der Fahrt dorthin überrascht wird sie von Abby mit dem Geständnis überrascht, dass sie sich bei ihren Eltern noch nicht geoutet und ihnen erzählt hat, Abby sei ihre Mitbewohnerin. Sie verspricht, ihren Eltern nach den Feiertagen die Wahrheit zu sagen, wenn sie ihre Beziehung erstmal geheim halten – und so beginnt ein Versteckspiel. Das ist manchmal witzig, etwa als Abby (Kristen Stewart) vor Harpers Eltern so tut, als sei sie heterosexuell (und ihr bester Freund fassungslos fragt: „Have they ever met a lesbian?“) Zu einem größeren Teil ist es aber deprimierend, demütigend und reproduziert den Stereotyp, dass Queerness immer etwas Traumatisches anhaften muss.

Statt das Genre der romantischen Komödie aufzubrechen, zu queeren und auszuprobieren, wie es sich neu erfinden lässt, werden die Tropes aus hetero Filmen – wie etwa der der queeren Person, die lächerlich gemacht wird – einfach übernommen. Das ist schade und zeigt, dass sich an der Repräsentationsfront in Hollywood noch einiges tun muss. Ich habe den Film trotzdem gern gesehen, hauptsächlich wegen Kristen Stewart, aber auch wegen Aubrey Plaza, die Harpers Exfreundin spielt und dafür sorgt, dass Abby ein nicht ganz so einsamer, tragischer Charakter ist.

Happiest Season hätte ein toller Wohlfühlfilm sein können, dieses Potenzial hat er leider vertan. Statt dass endlich einmal queere Frauen im Mittelpunkt einer cozy Weihnachtsatmosphäre stehen, ohne dass ihre Sexualität groß thematisiert werden muss, geschieht das Gegenteil. Aber da das Repertoire an queeren Weihnachtsfilmen ziemlich überschaubar ist, müssen wir uns wohl mit dem zufrieden geben, was da ist – und darauf hoffen, dass die Zukunft noch viele kitschige Romcoms mit queeren Charakteren bringt. 

Von Emma @emmarotermund

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Olga Tokarczuk – Gesang der Fledermäuse

In einem kleinen verschneiten Dorf in den Bergen von Polen geschieht ein mysteriöser Mord. Einer der drei überwinternden Einwohner, Bigfoot, wird tot aufgefunden und schon bald geschieht das nächste Unglück. Janina, Bigfoots Nachbarin, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Hufspuren an den Tatorten, jedes einzelne der Opfer Jäger (oder besser: Mörder?) und keiner hatte Respekt vor der Natur. Janina wird sich immer sicherer: die Tiere rächen sich. Aber wie tun sie das? Mit vielen Lebensweisheiten („Es sind die Füße, in denen das ganze Wissen der Menschen liegt“), Ausflügen in die Astrologie und einer guten Prise Selbstironie löst die selbst ernannte Detektivin langsam das vielschichtige Rätsel auf. 

Olga Tokarczuk, welche in 2018 den Nobelpreis für Literatur erhielt, präsentiert ihren Leser*innen eine alte Dame und ihr Innenleben auf eine ungemein authentische und stereotyp-ferne Art. Ein Gedankenexperiment was nachdenklich stimmt: was wäre, wenn Tiere und Natur sich anfangen würden zu rächen für das was wir Menschen ihnen antun? Und ist das eigentlich wirklich nur Fiktion? 
Der perfekte Roman um sich etwas zu fürchten, viel zu lachen, alles zu hinterfragen was man zu wissen glaubt und Gefühle in Worten zu lesen, die man schon immer vergeblich versucht hat zu benennen. 

Von Eva @imagineeva

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Sven Pfizenmaier – Draußen feiern die Leute

Wie geht man damit um, die „Gliedmaßen einer Pflanze, rankenartige Arme und Beine, blass grünliche Haut und orangegelbes Haar, das wie eine Blüte aus dem Kopf leuchtet“ zu haben? Wie muss es sich anfühlen, erst aufwachen zu können, wenn die Träume ihre Geschichten auserzählt haben und so Tage, manchmal Wochen, durchzuschlafen? Was tun, wenn alle Menschen in unheimliche Lethargie verfallen, sobald man den Raum betritt? Das sind die Probleme, mit denen sich die Teenager Timo, Valerie und Richard aus einem kleinen Dorf inmitten der niedersächsischen Provinz in Sven Pfizenmaiers im März diesen Jahres erschienenen Debütroman „Draußen feiern die Leute“ herumschlagen müssen. Und als wäre das nicht genug, verschwinden immer mehr Menschen spurlos. Als die drei Teenager Nachforschungen anstellen, kommen sie dem Drogenboss Rasputin auf die Spur. Der entpuppt sich später als Adiletten-tragende Eule, was seiner Autorität allerdings keinen Abbruch tut. Und Rasputin scheint etwas zu haben, das sich die drei sehnlichst wünschen: Einen Ausweg aus den gesellschaftlichen Zwängen, die sie umgeben, einengen und unglücklich zurücklassen.

In der Verbindung von magischen Elementen und Konflikten, wie sie realer nicht sein könnten, liegt, es lässt sich nicht anders sagen, die Magie des Romans. Zusammen mit Valerie, Timo und Richard begibt man sich auf die Suche nach der Möglichkeit eines Miteinanders, in dem alle Platz haben und ihr Glück finden können. Und diese Suche wird mitunter wunderbar absurd. Mit seinem Feingefühl für Sprache und Humor und der Fähigkeit, jedem scheinbar nicht mehr an Absurdität zu übertreffenden Ereignis einen Sinn oder zumindest eine Daseinsberechtigung zu verleihen, beweist sich Sven Pfizenmaier dabei als echter Meister seines Fachs. Letzten Endes sind es gerade die magischen Elemente, die die im Roman beschriebene Realität noch greifbarer machen.

Irgendwo zwischen Krimi, Slapstick, Dorfroman, und Coming-of-Age, genauso humorvoll wie tiefgründig, ist „Draußen feiern die Leute“ ein wirklicher Lesegenuss!

Von Elena @elena_lze

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Irmgard Keun – Gilgi – eine von uns

Mit dem Roman „Gilgi – eine von uns“ entführt Irmgard Keun die Leser*innen in eine andere Zeit und in eine andere Stadt: Köln in den 1920er Jahren zur Karnevalszeit. Die Stadt feiert ausgelassen, es wird getrunken und geschunkelt, getanzt und gelacht. 

Für die Anfang 20-jährige Gilgi kommt erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Sie ist eine ehrgeizige junge Frau, die weiß, was sie will und was sie nicht will. Sie träumt von einem ordentlichen, geregelten Leben. Fleißig arbeitet sie als Stenotypistin und nimmt Unterricht in Englisch, Französisch und Spanisch. In einem Jahr will sie reisen, nach London, Paris und Granada. Dafür spart sie ihr Geld. Ihre Selbstständigkeit ist ihr sehr wichtig. 

Ihre Freundin Olga ist ganz anders. Sie ist frech und unbekümmert und verdient als Künstlerin immer so viel Geld, bis sie damit wieder reisen kann. Sie denkt nicht ans Sparen, lebt im Hier und Jetzt und im Nächsten. „Olga ist die bunteste Farbe in Gilgis Leben“, und Gilgi bewundert sie für ihre Unabhängigkeit und Freiheit. 

Die beiden treffen sich in Cafés, wo sie rauchen und Zeitung lesen. Als schöne, junge Frauen bleiben sie nicht lange ohne männliche Begleitung. Aber die beiden sind nicht naiv und wissen die Männer einzuschätzen. Doch dann taucht Martin auf. Ein Schriftsteller und Weltenbummler. Er hat nichts Besonderes an sich, dennoch verliebt sich Gilgi in ihn. Die Liebe zu Martin wirft ihre ganzen Pläne durcheinander. Er ist eine „Betriebsstörung“, die Gilgi aufhält. 

Irmgard Keun gelingt es in ihrem Roman die Geschichte einer jungen Frau zu erzählen, die sich am Ende einer Liebe selbst findet. Eine berührende Geschichte über Emanzipation und das Erwachsenwerden. Außerdem sprachlich eine Neuerfahrung für die, die sich noch nie mit dem kölschen Dialekt auseinandergesetzt haben.

Von Inga Kuck @luing_a

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Maggie Nelson – Bluets

Dezemberbluets? Draußen wird es kälter und der Teeabsatz in den Supermärkten steigt exponentiell an. Das ist die ideale Atmosphäre, um in Maggie Nelsons Bluets einzutauchen: mit einer warmen Tasse Tee im Lieblingssessel eingekuschelt. Lyrisch und philosophisch erzählt Nelson in kurzen, vignettenhaften Paragraphen von ihrer Liebes- und Leidensgeschichte mit der Farbe Blau. Die Geschichte, die sich zusammensetzt, weigert sich, eine konventionelle Form zu finden. Das Buch lebt von dieser Fliehbarkeit. Von den blauen Sammelstücken Nelsons, die zwischen zwei sorgfältig gestalteten Buchwänden einen Ort zum Verweilen gefunden haben. Und so findet auch Nelson selbst einen Platz zwischen den Seiten, um ihn am Ende wieder aufzugeben. Bluets ist auch ein Buch über den Abschied. Zart tastend kundet es sich voran, so wie sich der Dezember Weihnachten nähert.

Von Judit Anna Hoffkamp @moncapitainecactus

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Kleo (Serie)

Retro-Thriller Serie: Eine inoffizielle Stasiagentin, die verdeckt in der BRD als Auftragskillerin arbeitet, landet plötzlich im eigenen Land im Gefängnis. Ihre Haftstrafe hält nicht lange an, denn bald fällt die Mauer und Kleo Straub ist knapp drei Jahre später auf freiem Fuß. Sie möchte wissen, wer gespitzelt und sie ins Gefängnis gesteckt hat – und damit beginnt der Rachefeldzug gegen ihre Verräter. Eine Action-Thrillerserie, die in den 90ern spielt, mit Jella Haase als rachsüchtige Protagonistin. Was will man mehr? Schon in der ersten Folge liefert die neue Netflix Serie einen rasanten Start und legt damit den Grundstein für die kommenden sieben Folgen. Es findet ein emotionales sowie blutiges Katz und Maus Spiel quer über den Globus statt, das seine ZuschauerInnen direkt abholt. Jella Haase glänzt in ihrer Rolle als Kleo und erinnert gewissermaßen an Uma Thurman in Kill Bill – ganz ohne Teil einer Hollywoodproduktion zu sein. Eine gelungene deutsche Netflix Serie, die bald in die zweite Runde geht!

„Kleo“, acht Folgen à 50 Minuten, auf Netflix

Von Nina Milivojevic @ninaa_mili

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Frederik Backman – Kleine Stadt der Grossen Träume

Björnstadt ist eine beschauliche Kleinstadt in Schweden. Versteckt im Wald und fernab von jeglicher Zivilisation, dreht sich alles um das heimische Eishockeyteam. Bis in einer eiskalten Nacht eine unverzeihliche Tat begangen wird.

Plötzlich stehen die Bewohner Björnstadts vor einer wichtigen Entscheidung: Verschweigen sie es oder bringen sie den Ruhm und die Ehre ihres geliebten Eishockeyteams in Gefahr? 

Wenn ihr auf der Suche nach einer zauberhaft winterlichen Lektüre seid, dann seid ihr hier genau richtig. Fredrik Backman schafft es, vielschichtige Charaktere zu erschaffen, mit denen ich bis zum Ende mitgefiebert habe. Ja, es ist ein Eishockey-Roman, aber es geht um so viel mehr als den Sport. Es geht um die Bedeutung von Gemeinschaft und deren Zusammenhalt – besonders an den schlechten Tagen. Von besten Freundinnen, zweifelnden Müttern, kleinen und großen Geschwistern und besorgten Eishockey-Trainern.

Was die Geschichte noch besser macht? Der Roman ist der Auftakt einer Trilogie, deren letzter Band diesen Januar erscheinen wird. 🎉 Eine große Empfehlung für die kalten Tage!

Von Nina Milivojevic @ninaa_mili

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