Wie jedes Jahr sind auch 2012 unzählige Neuerscheinungen auf den Tischen und in den Regalen der Buchhandlungen gelandet. Natürlich kann man es nicht mal ansatzweise schaffen, all diese Neuerscheinungen zu lesen. Aber man kann es versuchen. Ein persönlicher Lese-Jahresrückblick.
Bücher finden auf unterschiedliche Weise den Weg in unser Bücherregal. Manche Bücher nimmt man sofort mit, weil man den Autor kennt und mag. Andere, weil über sie gerade im Feuilleton besprochen werden und wieder andere fallen uns eher zufällig in die Hände. Egal auf welchem Weg die Bücher zu uns gefunden haben, eine Auswahl meiner diesjährigen Lesehighlights (oder manchmal auch das Gegenteil) möchte ich zum Jahresende nun mit euch teilen:
Felicitas Hoppe: „Hoppe“
Dieses Buch wollten meine Kommilitonen und ich eigentlich lesen und in unserem Lesezirkel besprechen… Es kam weder zum Besprechen noch zum Lesen. Zumindest nicht zum Durchlesen. Denn die Protagonistin und der Schreibstil der Autorin haben mich so genervt, dass ich es nicht mal bis zum zweiten Kapitel geschafft habe. Im Roman erzählt die Autorin Hoppe, von einer anderen Hoppe, sprich entwirft eine Traumbiografie. An sich eine gute Idee, aber leider einfach nur anstrengend zu lesen.
Claire Watkins: „Geister, Cowboys. Stories”
Schauplätze dieser Kurzgeschichten sind verschiedene Orte in den USA. Zum Beispiel eine Ranch in der Wüste Nevadas, die eigentlich ein Bordell ist. Oder eine Spielhölle in Las Vegas, in der zwei Mädchen Dinge erleben, die sie nie wieder vergessen. In zehn Kurzgeschichten erzählt Watkins die Legenden des wilden Westens auf neue Art und Weise. Die Protagonisten in ihren Stories sind Menschen in existenziellen Situationen. Auf den ersten Blick erkennt man keine Gemeinsamkeiten. Aber was sie verbindet, egal ob in den unendlichen Weiten Nevadas oder in den glitzernden Großstädten wie Las Vegas: Sie sind alle auf der Suche. Nach etwas. Nach jemanden. Und manchmal auch nach sich selbst sind. Ein Buch für USA-Interessierte.
Ella Griffin: „An und für Dich“
Erst einmal vorneweg: Ich musste das Buch für die Uni lesen! Klingt komisch, ist aber wahr. Denn für diesen Roman sollten wir eine Marketing-Strategie entwerfen. Wie dem auch sei, das Buch ist ein typischer „Chick-Lit“- Roman. Wem diese Bezeichnung nichts sagt, der findet bei Wikipedia hierfür die schöne Beschreibung „Tussi-Roman“. Den Inhalt könnte man versuchen so zusammenzufassen: Protagonistin Saffy ist mit Greg zusammen und macht ihm einen Antrag, er lehnt ab, sie trennen sich, er hat einen One-Night-Stand, sie kommen wieder zusammen, sie heiraten, sie trennen sich, Saffy lernt einen Neuen kennen, der aber nicht weiß, dass sie noch verheiratet ist … Auf über 500 Seiten gibt es ein solches Hin- und Her, wie man es sonst nur in einer Soap Opera findet. Mein Fazit: Ein Buch für zwischendurch, das man auch noch Lesen kann, wenn der Kopf schon ausgeschaltet ist. Das Äquivalent zu Rosamunda Pilcher. Nur mit weniger Landschaft.
Olga Grjasnowa: „Der Russe ist einer, der Birken liebt“
Wurde dieses Jahr schon so oft besprochen, auch auf litaffin. Deshalb an dieser Stelle etwas, was ich schon immer mal sagen (oder schreiben) wollte: Kein Kommentar.
Teju Cole: „Open City“
Ich habe mich sehr auf das Buch gefreut, denn die Beschreibung klang vielversprechend. Beim Lesen war ich dann kurzzeitig etwas enttäuscht, da sich das Buch doch etwas schwerfällig liest. Dennoch ist es sehr gut geschrieben. Protagonist des Romans ist Julius, der rastlos durch die Straßen von New York läuft. Während seiner Spaziergänge durch die eigentlich anonyme Stadt lernt er Menschen mit den verschiedensten kulturellen Hintergründen kennen, die alle eine Geschichte in sich tragen. Und auch Julius, der aus Nigeria in die USA kam, fängt an, seine eigene Geschichte zu reflektieren. Ein Buch über Identität, Nationalität und Entwurzelung.
John Jeremiah Sullivan: „Pulphead“
Ein interessanter Mix aus Erzählung und Reportage, aus Hochkultur und Unterhaltung. In 15 Geschichten beschäftigt sich der Autor mit der amerikanischen Geschichte und Gegenwart. Popkulturelle Phänomene wie Michael Jackson werden ebenso behandelt wie Naturkatastrophen wie der Hurrikan Katrina. Gleichzeitig unterhaltsam und informativ.
Lilly Brett: „Lola Bensky“
Mein ungewöhnlichstes Leseerlebnis des Jahres. Denn das Buch ist unterhaltsam und ergreifend gleichzeitig. In dem Buch geht es um die 60er Jahre und um die Reporterin Lola Bensky, die Musiker wie Mick Jagger oder Jimi Hendrix interviewt. Auf der einen Seite geht es um oberflächliche Dinge, wie die Figurprobleme von Lola, die mit den Magermodels wie Twiggy nicht mithalten kann. Aber dann geht es noch um etwas anderes, nämlich um die Vergangenheit von Lolas Eltern, die das KZ in Auschwitz zwar überlebten, aber doch nie wieder ganz zurückkehrten. Der Roman ist geprägt von einem Wechselspiel aus Ausschnitten aus dem Leben der Rockstars und Ausschnitten aus dem Leben von Lolas Eltern im KZ. Ein sehr ungewöhnliches Buch.
Levy Hideo: „Shinjuku Paradies“
Was passiert, wenn die japanische und die amerikanische Welt aufeinander treffen und man weder in der einen noch in der anderen so richtig heimisch ist? Dieser Frage widmet sich der Roman „Shinjuku Paradise“: Ben, Sohn eines amerikanischen Konsuls, lebt in Japan und fällt nicht nur durch sein westliches Aussehen permanent auf. Hin- und hergerissen zwischen den zwei verschiedenen Kulturkreisen, fängt er an Japanisch zu lernen und „seinen“ Platz im fremden Japan zu suchen.
Charlotte Link: „Im Tal des Fuchses“
Ich muss gestehen, ich bin ein großer Charlotte Link Fan. Denn sie schafft es, was wenige Autoren schaffen: Dass ich das Buch in einem Zug verschlinge, alles um mich herum vergesse, und nicht abwarten kann, wie es weiter geht. Dennoch muss ich sagen, dass „Im Tal des Fuchses“ ein wenig hinter ihren bisherigen Romanen bleibt (was aber auch kein Wunder ist, wenn man mindestens ein 600 Seiten Buch pro Jahr veröffentlicht). Aber der Spannungsbogen war auch in diesem Buch wieder gekonnt gesetzt, auch wenn mir die Vorgänger sprachlich und von der Handlung her besser gefielen.
Und nun zum Schluss, der verruchtestes Roman: E L James: „Shades of Grey“.
Ich habe mir das Buch aus dem gleichen Grund gekauft, aus dem ich mir auch das Buch „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche gekauft habe: Um mitreden zu können. Denn nicht nur in den Medien wurde das Buch auf einmal überall besprochen, auch in der U-Bahn sah man immer häufiger jemanden, der mit geröteten Wangen und im gleichzeitigen Versuch, das Buchcover zu verdecken, „Shades of Grey“ las. Dann saß ich eines Tages im Wartezimmer einer Arztpraxis, als mich ein Mädchen, ungefähr in meinem Alter, fragte, ob ich lese. Ich nickte, und legte verstohlen die „Bravo“ weg, durch die ich gerade aus Langeweile geblättert hatte. Und welches Buch holte sie dann aus ihrer Tasche und empfahl mir? Natürlich „Shades of Grey“. Also las ich das Buch. Und kann absolut nicht verstehen, warum so ein Wirbel um dieses Buch und seinen Inhalt gemacht wird. Denn nach „Feuchtgebiete“ und „Axelotl Roadkill“ ist dieses Roman weder besonders innovativ, noch schockierend, sondern einfach nur ein weiteres Buch in dieser Riege. Klar, es wird über Sex geschrieben, und nicht über Blümchensex, sondern über Sadomaso. Aber das war es dann auch schon an Pikantem. Und wenn es am Anfang vielleicht noch ein bisschen aufregend ist, so eine Szene zu lesen, so verschwindet dieses Gefühl spätestens ab der Mitte des Romans. Denn danach ist es immer wieder das gleiche, es geht immer nur um die gleichen Sexszenen, die sich permanent wiederholen. Und so zum Morgenkaffee passt so ein Buch ja auch nicht wirklich gut. Und was auch einmal gesagt werden muss: Dieses Buch ist furchtbar schlecht geschrieben! Die Figuren sind einfach nur unrealistisch und klischeehaft. Da gibt es den reichen Unternehmer Christian Grey, der die junge Studentin Ana trifft, die zwar noch Jungfrau ist, sich aber sofort auf eine SM-Beziehung einlässt, die auch noch durch einen Vertrag geregelt ist. Die Realität könnte nicht ferner sein…
Nun aber an euch die Frage: Was waren eure Bücher-Highlights des Jahres 2012?
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