Ein Buch für Frauen

Alan Bennett, das ist der Autor, der auf Fotos immer entweder auf einem Fahrrad sitzt oder ein Schwein an der Leine führt. Und er hat den Bestseller „Die souveräne Leserin“ geschrieben. Einmal ein Foto von ihm gesehen, kommt man nicht umhin, sich das Muttersöhnchen in „Ein Splitter im Zucker“, der ersten Geschichte im neuen Buch, genau so vorzustellen. Fast schon rassistisch, da so typisch britisch. Typisch britisch scheinen alle Figuren in dem nun in Deutschland erscheinenden Geschichtenband „Ein Kräcker unterm Kanapee“. Die Hauptfiguren sind selbstbewusste Frauen. Der Leser liest ihre Monologe, nur ergänzt durch knapp gehaltene Regieanweisungen. Das ist erstmal hochgradig komisch (eine Schauspielerin, die sich nicht scheut, sich auch mal auszuziehen, eine Pfarrersgattin, die wirklich nicht geschickt ist im Arrangieren von Blumen, aber prima Messwein stibitzen kann, und eine Mittesiebzigjährige, die einfach gründlicher putzt, als ihre Haushaltshilfe) und schlägt dann jedes Mal um: Vera lernt im hohen Alter noch einen Kavalier kennen und lässt sich dieses unerwartete Glück bestimmt nicht von ihrem Sohn madig machen, dem dieser Mann nicht ganz koscher ist. Miss Ruddock weiß, was Recht und Unrecht ist und schreibt ihre Beschwerdebriefe und Doris ist eben beim Putzen gestürzt, sie wird es schon wieder auf die Beine schaffen.

Eins ist allen Frauen wichtig, sie wollen keine Hilfe, sie kommen alleine zurecht. Aber die Figuren unterlaufen sich in ihren Gedankengängen selbst, der Leser meint die Damen durchschaut zu haben, über einen Wissensvorsprung zu verfügen und doch liest er lediglich ihre Gedankenströme. Jede der sehr unterhaltsamen sechs Momentaufnahmen verfügt über ihren ganz eigenen Kipppunkt, an dem das überlegene Lachen dem Leser im Hals stecken bleibt und plötzlich das zuvor noch so gönnerhafte Mitleid in wahres umschlägt.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen