„Hä, ich dachte, du bist das alles geloofen“ – das Wanderhuren-Catchen geht in die zweite Runde

Da denkt sich Julius Fischer für seinen neuen (Anm.: satirischen) Kurzgeschichtenband „Die schönsten Wanderwege der Wanderhure“ einen super Titel aus, um Kommerz und Literaturbetrieb etwas auf die Schippe zu nehmen. Und prompt steht der Verlag Droemer Knaur beim Landesgericht Düsseldorf auf der Matte und fordert Schadensersatz vom sächsischen Indie-Verlag Voland & Quist.

Eines der 2000 vergriffenen Exemplare
Eines der 2000 vergriffenen Exemplare

Hier noch einmal kurz die Eckdaten:

  • Das Urteil des Landesgerichts steht am 27. März fest: Nach Ausverkauf der ersten Auflage (2000 Exemplare) darf der Titel nicht weiter verbreitet werden. Die Kosten des Rechtsstreits belaufen sich auf 13.000€.
  • Voland & Quist verweist auf die Satirefreiheit und legt Berufung gegen das Urteil ein (geschätzte Kosten nochmal 12.500€).
  • Auf startnext startet der Verlag Mitte April eine Crowdfunding-Kampagne (Für 250€ kann sogar mit Julius und anderen Unterstützern in der Sächsischen Schweiz gewandert werden). Nach vier Tagen kamen schon 12.000€ zusammen – am 05. Mai beläuft sich das Endergebnis auf 14.619€.

Das Titelrecht von Droemer Knaur und die angeblich gestörte Verbreitung der Wanderhurentitel wurden vom Landesgericht als Hauptargument für das Urteil dargestellt. Außerdem könnte der Leser dazu verleitet werden, den Titel wörtlich zu nehmen („Aha! Ein Reiseführer über die Wanderhuren-Wanderwege!“) und sozusagen das falsche Buch in den Einkaufswagen zu legen. Auf dem Titel ist schließlich ein Wegweiser zu sehen (Anm.: Aber auch der Verweis „kein historischer Roman“). Naja. Kann ja passieren, dass man sich nicht dafür interessiert, was man da eigentlich für ein Buch kauft. Proll Enrico passierte das in Julius’ Kurzgeschichtenband schließlich auch:

„Hä, ich dachte, du bist das alles geloofen. Und hast Karten gemalt und so.“

„Ach so, nee, das Buch ist kein Reiseführer.“

„Warum heißt’n das dann so wie eener?“

„Weil’s lustig ist.“

„Kapierschni.“

„Das macht nichts. Dafür kannst du gut kloppen.“

Was ist eigentlich das Problem? Wählte Julius Fischer einen Buchtitel, der so gut ist, dass „die Leute das Buch ganz selbstverständlich in den Einkaufswagen legen. Wie Klopapier.“? Eine Markenparodie also, die Julius allein als Absatzhilfe für das eigene Buch dient? Wär’ ja genauso dumm und einfach wie die angeblich existierenden „dummen“ Leser, die das falsche Buch kaufen. Aber genau der Meinung sind Droemer Knaur und das Landesgericht Düsseldorf. Zum Glück sagt die Öffentlichkeit „Nein!“ und spendet bei startnext.

Eigentlich ist das ein Streit, der ziemlich alt ist: Kunst parodiert und Anhänger des parodierten Gegenstands – das kann ein Publikumsverlag sein oder Religion – entrüstet sich über die Parodie und pocht auf Regeln.

Screenshot der Verlagsseite Voland & Quist
Screenshot der Verlagsseite Voland & Quist

Aber es steckt noch mehr dahinter: Geld. Auch die Abwägung des Landesgerichts zwischen Kunstfreiheit und Eigentumsrecht fiel zugunsten des schnöden Mammons aus. Wir sind gespannt, wie die zweite Runde der Berufung ausgeht und ob die Öffentlichkeit in der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen wird. Schließlich hat der Skandal einen öffentlichen Diskurs gefördert und gezeigt, dass für Kunst- und Satirefreiheit gekämpft wird!

„Nennt es doch einfach die Wanderniere.“, empfiehlt eine Leserin Julius auf der Verlagsseite. „Oder gibt es dann Probleme mit dem Pschyrembel?“ Einen Versuch wäre es wert.

Corinna von Bodisco

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