Dienstag, 19. Januar, im sehr gut besuchten Literaturforum im Brecht-Haus, die Bühne gehört Durs Grünbein. Vor kurzem von seinem Aufenthalt in Rom in der Villa Massimo zurückgekehrt, stellt Durs Grünbein im Gespräch mit Michael Opitz sein Buch Die Bars von Atlantis vor, ein Buch in 14 Essays, das sich eher wie ein langes Gedicht liest. In der Tat, scheint sich in dem Buch alles auf das ‚Gedicht’ „Von den Flughäfen“ hinzuführen. Im Fokus der Betrachtung steht das Reisen und Durs Grünbein begreift, was Paul Celan (hierzu: Axel Schmitt) mit seinem Vergleich des Gedichts als Flaschenpost meint.
Ein Gedicht ist unterwegs, wie in einer Flaschenpost, und entsteht erst wieder, entfaltet seine Wirkung erst, wenn es (im besten Fall) an einem Herzstrand ankommt. Über die Eigendynamik von Zeilen bis hin zu der Annäherung von Konzeption (der Philosophie) und der Perzeption (der Künste) übt sich der Lyriker im Brecht Haus in kleinen Orgien des Sarkasmus, sagt dabei aber auch viel Ernstes. Sein Interesse an Dystopien wie Atlantis, als ein Modell für Nicht-Räume, und am Reisen an sich, sei auch im Zusammenhang damit zu sehen, dass durch die Globalisierung jeder Mensch zum Kosmopoliten geworden sei. Entgegen der Auffassung, Gedichte seien eine Krankheit, durch die ein Autor in seiner Jugend durch muss, liebt Durs Grünbein immer noch das Gedicht als Möglichkeit, sich und die Welt zu erforschen.
Die Meinungen im Publikum sind gemischt. Schließlich verlören Gedichte ja mit zunehmendem Alter des Dichters oft ihren „Sturm und Drang Charakter“. Ich frage mich: Muss das eigentlich so sein? Sind späte Gedichte eines Autors zwangsläufig ruhiger und eher als Forschungsbetrieb zu verstehen? Ist wer auch spät noch Gedichte schreibt am Ende einfach lange krank?
Überzeugt von Lyrik schließt Durs Grünbein den Abend mit bisher unveröffentlichten Gedichten, die in seiner Zeit in Rom entstanden sind und einen Vorgeschmack gewähren auf seinen kommenden Band. In „Corso Trieste“ etwa, „Denkmal des Aeronauten“, oder „Römische Häuser“ träumen italienische Städte voneinander und ihre Architektur überwältigt. Durs Grünbein fängt Momenteindrücke ebenso ein wie er übergreifende Gedanken verarbeitet. Auf meine Frage hin, was sein größter Gewinn aus der Zeit in der Villa Massimo sei, antwortet er mir bestimmt, dass es der neue Blick auf die antike Kunst und Kultur sei, der nun auf sein Werk Einfluss nehmen wird. Und das überwiegend in Gedichtform.
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