Der Verband Deutscher Schriftsteller sorgt sich um das Urheberrecht: Kurz vor der Leipziger Buchmesse wurde eine Petition veröffentlicht, die eine uneingeschränkte Beachtung des Urheberrechts fordert, und von namhaften Autoren wie Sibylle Lewitscharoff, Günter Grass, Christa Wolf und Günter Kunert unterzeichnet wurde. Das merkwürdige an dieser „Leipziger Erklärung zum Schutz geistigen Eigentums“: Der Name Helene Hegemann fällt kein einziges Mal – und doch liest sich diese Erklärung wie eine Abrechnung mit der Autorin und ihren Unterstützern im Literaturbetrieb. Der Ton ist anklagend bis vorwurfsvoll belehrend, die Forderung eindeutig: Plagiate verdienen keinen Preis.
Schon im ersten Satz macht die Erklärung klar, worauf sie zielt: „Wenn ein Plagiat als preiswürdig erachtet wird, (…) demonstriert diese Einstellung eine fahrlässige Akzeptanz von Rechtsverstößen im etablierten Literaturbetrieb.“ Nichts anderes als der Fall Hegemann kann gemeint sein. Schon vor einigen Wochen wurde gefordert, ihren Debütroman „Axolotl Roadkill“ von der Nominierung des Preises der Leipziger Buchmesse auszuschließen. Die Jury entschied sich jedoch dagegen, mit der Begründung, Ullstein habe nachträglich die Rechte an fremden Texten eingeholt, Hegemann sei eine talentierte Autorin.
Die Unterzeichner der „Leipziger Erklärung“ sprechen der 18-Jährigen jedoch indirekt jegliche künstlerische Leistung ab. „Missachtung, Aushöhlung und sträfliche Verletzung des Urheberrechts führt zur Entwertung, Aufgabe und schließlich zum Verlust jedweder eigenständigen intellektuellen und künstlerischen Leistung.“ Die Petition fordert weiterhin „alle Beteiligten im Literaturbetrieb – insbesondere Verlage, Lektoren, Literaturkritiker, Juroren – auf, geistigen Diebstahl eindeutig zu verurteilen.“ Dies ist wohl ein Wink mit dem gesamten Gartenzaun: Liebe Jurymitglieder des Preises der Leipziger Buchmesse, kommt eurer Verantwortung nach.
Die Erklärung verzichtet auch nicht auf einen Seitenhieb gegen eine unwissende Jugend, die den Sachverhalt des „geistigen Diebstahls“ verharmlost: „Kopieren ohne Einwilligung und Nennung des geistigen Schöpfers wird in der jüngeren Generation, auch auf Grund von Unkenntnis über den Wert kreativer Leistungen, gelegentlich als Kavaliersdelikt angesehen. Es ist aber eindeutig sträflich (…).“
So wichtig es auch ist, dass sich der Verband Deutscher Schriftsteller für die Belange von Autoren einsetzt und für die Achtung eines Urheberrechts eintritt, so verwunderlich ist jedoch diese Erklärung, die auf vieles anspielt, aber wenig deutlich ausspricht. Als Jurymitglied würde ich mir einen derartigen Versuch der Einflussnahme verbitten. Als Helene Hegemann empfände ich den persönlichen Angriff im Gewand einer allgemeinen Petition als unfair. Als Teil einer „jüngeren Generation“ fühle ich mich jedoch in jedem Fall unterschätzt.
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