„Man kennt mich nur schreibend.“

Revelle über ihren Werdegang als Künstlerin, wie ihre Songs entstehen, Social Media, und warum zwischen ihr und Berlin eine Art toxische Beziehung herrscht. Sie ist der Meinung: Am Ende ist immer nur Liebe.

Interview: Elena Leuze

© Mischa Lorenz

Liebe Revelle, du schreibst und machst deutsche Popmusik. Wie bist du damals zur Musik gekommen?

Ich habe immer schon Fließtexte und Gedichte geschrieben. Das ist für mich ein Ventil, um meine Gefühle zuzulassen, sie auszudrücken und meine Gedanken zu ordnen. Seitdem ich klein war, spiele ich auch Klavier. Irgendwann habe ich dann Gesang, Klavier und meine Texte vereint und so begonnen, meine Songs zu schreiben. Das war schon während der Schule so. Den ersten Song habe ich mit ungefähr 18 Jahren rausgebracht.

Heute machst du das Ganze hauptberuflich. Wann hast du die Entscheidung getroffen, deine Leidenschaft für die Musik und das Schreiben zum Beruf machen?

Ich habe mich nie wirklich aktiv dazu entschieden. Das war schon von Anfang an ganz klar für mich und es gab nie so einen richtigen Plan B. Dass ich das jetzt beruflich mache, hat sich irgendwann einfach ergeben. Dadurch, dass ich so jung bin, konnte ich auch schon mit 20 davon leben, obwohl ich damals bei keinem Label war und das alles independent gemacht habe.

Das heißt, du konntest als Künstlerin relativ gut festen Fuß fassen? Oft hört man, dass das in der Kunst- und Kulturbranche gar nicht so einfach ist.

Für mich hat sich alles sehr natürlich angefühlt. Ich habe gemeinsam mit meinem besten Freund die Songs, die ich geschrieben habe, aufgenommen und dann selbst veröffentlicht. Es gab auch niemanden, der uns da in irgendeiner Form reingeredet hat. Wir haben einfach gemacht, was wir gefühlt haben und die Musik dann rausgebracht. In meinem Fall hat es irgendwann Spotify entdeckt und es auf die ganz großen Playlisten gepackt. Dadurch hat man viel mehr Aufmerksamkeit, viel mehr monatliche Hörer und verdient auch Geld. Ab da habe ich dann regelmäßig Songs rausgebracht. Ich hatte aber nie diesen Anspruch, dass ich große Musikvideos machen muss, sondern habe alles sehr minimalistisch gehalten. So habe ich auch ohne diese externen Faktoren meinen Weg gefunden. Ich hatte zum Beispiel keine Radiostation, die mich krass gepusht hat. Das war cool, dass ich die Anerkennung von diesen Institutionen gar nicht gebraucht habe. Ich konnte die Menschen zum richtigen Zeitpunkt erreichen, die die Musik irgendwie gebraucht haben. Die sind dann auch geblieben. Es ist schön, dass es heutzutage möglich ist, einfach nur mit den Streamingdiensten und Social Media seine Musik zu veröffentlichen.

Du bist sehr aktiv auf Instagram und TikTok. Auch per Mail kann man einen Newsletter von dir abonnieren, den „Liebesbrief“. Was ist für dich die Hauptfunktion von Social Media?

Ich kann dort alles, was ich im Moment fühle, teilen. Es ermöglicht mir dann auch, mit meinen Fans und Hörern Kontakt zu haben und mitzubekommen, was die fühlen, was deren Geschichten sind und im direkten Austausch zu sein. Das finde ich so schön, dass man direktes Feedback bekommt und auch für die Menschen da sein kann mit seinen Sachen. Ich mache das ja nicht nur zur Selbstverwirklichung, sondern auch, weil ich den Menschen vermitteln will, dass sie nicht allein sind mit dem, was sie da tun, mit ihren Gedanken und Gefühlen.

Manchmal hat man den Eindruck, dass eine Karriere ohne Social Media überhaupt nicht mehr möglich ist.

Voll! Ich glaube auch, dass es ohne heutzutage gar nicht geht. Ich bin super dankbar, dass ich in dem Zeitalter lebe, wo ich dadurch selbst Dinge in der Hand habe und ein Text oder Musik Wellen schlagen kann. Aber natürlich ist es auch für viele Menschen ein großer Druck, so viel Content zu liefern. Bei mir ist der Vorteil, dass ich damit aufgewachsen bin. Ich hatte schon früh Instagram und habe mich immer schon dafür interessiert, selbst Videos zu schneiden, Bilder zu machen, und die zu bearbeiten. Das macht mir auch jetzt noch großen Spaß.

Letztes Jahr im Juni hast du dein Debütalbum veröffentlicht, “immer nur liebe”. Diese drei Worte hast du zum einen für den Albumtitel gewählt, benutzt sie aber auch in Social Media-Posts immer wieder. Was bedeuten die für dich?

Für mich bedeutet das, an das Gute im Menschen zu glauben. Am Ende ist immer nur Liebe. Zum Beispiel bei einer Verabschiedung oder wenn man auseinandergeht. Das war und ist für mich die Quintessenz: Schlussendlich ist es immer, immer die Liebe, die am meisten zählt, an die man sich erinnert, und die einem am meisten gibt.

Wie entstehen eigentlich deine Songs?

Ich habe jedes Mal eine konkrete Geschichte oder ein Erlebnis, das ich verarbeiten will. Es ist selten die Melodie, die als erstes da ist, viel eher die Emotion und der Text. Ich habe entweder jemanden etwas nicht gesagt, was ich dann durch einen Song sage oder ein Erlebnis, das ich nicht vergessen und festhalten will. Ich kann auch nicht über belanglose Dinge schreiben. Es muss schon was wehtun oder ganz bewegend sein.

Einer deiner Songs heißt “ich hasse Berlin :)”. Das ist spannend, weil du dich eigentlich selbst dazu entschieden hast, für die Musik nach Berlin zu ziehen.

Es ist witzig, weil dieser Berlin-Hass gar nicht so im Vordergrund steht. Es geht mehr um das Gefühl, wenn man nach Hause fährt und wieder die alten Freunde sieht. Dann denke ich: eigentlich würde ich viel lieber zuhause in Wien bleiben, aber natürlich muss ich jetzt auch zurück nach Berlin. Da arbeite ich und da ist mein Lebensmittelpunkt. Allerdings war Berlin noch nie meine Lieblingsstadt und ich sage oft zu meinen Verwandten: Boah, ich hasse Berlin. Berlin ist so dreckig und so groß und manchmal würde ich einfach gerne wieder nach Hause ziehen oder in eine andere Stadt. Zwischen Berlin und mir ist es auf eine Art so, wie in einer toxischen Beziehung (lacht): Man muss am Ende trotzdem da bleiben. Aber Berlin hat auch schöne Seiten. Deshalb auch der Smiley.

Wenn man dein Album kauft, bekommt man einen ganzen Gedichtband anstatt eines kleinen Booklets, wo alle Songtexte drinstehen. Auf Instagram veröffentlichst du zudem regelmäßig Texte, die du geschrieben hast. Kann man dich also auch als Autorin beschreiben?

Definitiv. Ich sehe mich tatsächlich nicht nur als Sängerin, sondern mehr als Schreiberin. Ich schreibe eigentlich die ganze Zeit, man kennt mich nur schreibend. Ich nehme immer ein Notizbuch mit, um meine Gedanken loszuwerden, sonst platzt mein Kopf, glaube ich. Für andere Künstler schreibe ich auch viel. Ich texte aber nicht nur für die Musik, sondern einfach generell. Trotzdem ist mir das, was ich singe und meine Musik natürlich superwichtig.

Wie würdest du dann das Verhältnis von Text und Musik bei dir beschreiben?

Ich glaube, Texte können auch kürzer sein oder viel länger als ein normaler Song. Bei einem Musikstück müssen eine Emotion und die bestimmte Situation, die man beschreibt, für zwei oder drei Minuten on point sein. Da muss man ziemlich perfektionistisch rangehen, die Melodie muss stimmen, das ist ein Kunstwerk. Die stärksten Emotionen und die stärksten Texte werden meistens in Songs umgewandelt. Aber manche Texte von mir, die die sind auch einfach nur da, die schreibt man einfach nur runter. So bleiben manche Gedichte dann auch mal nur vier Zeilen lang.

Wenn du so viel und gerne schreibst – liest du auch gerne?

(lacht) Ich lese so wenig. Wirklich. Aber ich höre sehr gerne Hörbücher. Meistens Sachbücher und Selbstoptimierungs-Bücher. Es ist mir wichtig, achtsam zu sein, eine Struktur in den Alltag einzubauen und einfach aufmerksam zu leben. Damit befasse ich mich dann auch.  Eines der wenigen Bücher, die ich von vorne bis hinten durchgelesen habe, ist: „Was ich im Leben gelernt habe“ von Oprah Winfrey. Das hat wirklich mein Leben verändert und mir auch in schweren Zeiten sehr viel Kraft gegeben. Ich finde es bewundernswert, wie ein Mensch, der materiell gesehen so viel hat, die Schönheit in den kleinen Dingen sieht. Daran muss ich mich auch immer wieder erinnern: Es ist so krass, dass wir alle dieses Leben haben und eine Chance, das Beste draus zu machen. Was ich auch zur Hälfte gelesen und dann weitergehört habe, ist „Zum Ende der Einsamkeit“ von Benedict Wells. Einfach eine total schöne und emotionale Geschichte.

Letztes Jahr hast du unter anderem auf Open-Air-Festivals gespielt, und warst Support-Act für Johannes Oerding und Milow. Wie war diese Erfahrung für dich?

Es ist unglaublich, wenn man vor zehntausenden Leuten spielen darf. Als ich begonnen habe, allein am Klavier meine Songs zu schreiben, hätte ich nie damit gerechnet, dass das so viele Menschen interessiert und ich die Möglichkeit habe, da so zu spielen. Ich bin auch nur mit dem Piano und mit der Stimme aufgetreten und hatte anfangs ein bisschen Angst, dass das die Leute vielleicht langweilt oder dass es zu ruhig ist für diese großen Locations. Aber das Publikum ist mir immer gut gefolgt und hat mir richtig zugehört.  Das war echt schön. Johannes Oerding hat mich auch 2021 schon mal mit auf Tour genommen und ich bin total dankbar, dass er einem die Möglichkeit gibt, vor so vielen Menschen auftreten zu dürfen. Es ist natürlich sehr intensiv, weil 20 Shows im Sommer echt nicht so wenig sind. Aber es gibt einem richtig viel zurück, wenn man da vor so einem Menschenmeer steht und sagt: „Ey, singt mal mit“. Und dann singen wirklich alle mit.

Worauf können wir uns 2023 von dir freuen?

Auf jeden Fall auf neue Songs. Es macht mir immer am meisten Spaß, Songs zu schreiben, sie zu produzieren und rauszubringen. Eigentlich will ich die Songs immer am liebsten gleich rausbringen, wenn ich sie geschrieben habe. Bestimmt gibt es dann noch Live-Konzerte dieses Jahr. Darauf freue ich mich auch sehr. Was ich ansonsten wieder oder noch vorhabe, ist, ein zweites Buch, auch ein Gedichtband, zu veröffentlichen. Da gibt es noch keine konkreten Pläne, aber das ist definitiv ein Ziel, das ich mir gesetzt habe und dieses Jahr bestimmt noch umsetzen werde.

Die 24-jährige Revelle ist Deutschpopkünstlerin und Schreiberin. Ursprünglich kommt sie aus Wien, lebt aber seit einigen Jahren in Berlin. Im Juni 2022 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „immer nur liebe“ und ihre Songs wurden auf Streamingdiensten wie Spotify schon millionenfach angehört. In ihrer Musik, die sie als sehr ruhig beschreibt, liegen ihr besonders die Texte und das Gefühl am Herzen. Sie möchte einen safespace schaffen, in dem alle Gefühle akzeptiert werden und zugelassen werden können. Am 24. Februar erschien ihr neuester Song „liebe kannst du auch alleine.“.

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