Metrolit

Klasse statt Masse? – Ein Interview mit Metrolit

Seit Anfang dieser Woche liegen 18 Neuerscheinungen des Berliner Jung-Verlags Metrolit in den Läden. Circa 40 Titel „Metroliteratur“ sollen dieses Jahr noch aus dem Aufbau-Haus am Moritzplatz kommen. Gegründet haben den neuen Verlag Aufbau-Eigner Matthias Koch, der Radiosender FluxFM sowie Walde + Graf. Belletristik-Verantwortliche Bärbel Brands erklärt Miriam Wienhold im Litaffin-Interview Ziele und Risiken einer solchen Neugründung.

Litaffin: Warum braucht die deutsche Verlagswelt einen Verlag wie Metrolit? Fangen wir direkt mit der großen Frage an.

Bärbel Brands: Ich glaube, dass wir sehr von den Lesern her denken. Ich glaube, das, was wir versprechen oder das, was uns unterscheidet, ist ein ausgeprägtes Programmprofil, das sich eben auf eine bestimmte Leserschaft oder dahingehend zuschneidet, dass man versucht, ziemlich pointiert und überspitzt zu sein. Überspitzt nicht im Sinne von Nischenprodukt, aber zuschlagend, sozusagen.

Litaffin: Zuschlagend inwieweit?

Brands: Dass man auf den Punkt genau verlegt. Das kann man am besten an dem Programm sehen. Es ist ja nicht ein weiterer Verlag, der irgendwie Belletristik und irgendwie Graphic Novel und irgendwie Sachbuch macht, sondern der sich schon dieses Label Popkultur an die Brust geheftet hat.

Litaffin: Aber bei Popkultur und –literatur denke ich sofort an Benjamin von Stuckrad-Barre. Ist es das?

Brands: Also ganz dankbar wären wir natürlich, wenn wir eine Entsprechung für Stuckrad-Barre hätten, würde sich bei uns sehr gut machen, um das mal vorweg zu nehmen. Aber es ist nicht dieser popliterarische Diskurs, den wir hier führen, sondern eben Pop-Kultur. Und Popkultur bedeutet für uns eben auch populär, letztendlich. Keine Angst vor Unterhaltung. Und trotzdem mit Twist und der nötigen Intelligenz, ohne Chicklit zu machen oder wirklich niedere Unterhaltungsliteratur zu machen.

Litaffin: Das heißt Daniela Katzenberger würde jetzt auch nicht ins Programm passen?

Brands: Würde nicht unbedingt passen. Es sei denn in unserem Buch „Ich, ich, ich“ mit dem Untertitel „Wir inszenieren uns zu Tode“, vielleicht kommt sie darin vor.

Litaffin: Der Verlag zielt ja sehr auf die Zielgruppe 25 bis 40 ab…

Brands: Ja, ich möchte das nicht so biologisch eingrenzen. Sondern, ich glaube, es ist eine bestimmte Zielgruppe, die kann eigentlich jedes Alter haben, die mit einer bestimmten Haltung ausgerichtet ist, mit einem bestimmten Interesse. Die schon auch urban ausgerichtet ist, aber nicht unbedingt in Großstädten leben muss. Ganz im Gegenteil. Ich wehre mich immer davor, diese Berlinliteratur und -kultur zu machen, und Großstadt und Metropolenliteratur und –kultur. Nee, es soll an sich ganz weit reichen.

Litaffin: Wie gewagt ist es denn überhaupt, so einen Verlag zu machen. Wieviel Risiko steckt dahinter?

Brands: Ja, es ist gewagt, da muss man sich überhaupt nichts vormachen. Wir haben viele Titel für einen Buchhandel, der jetzt schon ächzt und stöhnt unter der Last der Bücher, die er da tragen muss. Insofern ist es dann gewagt, glaube ich, wenn wir nicht mehr unterscheidbar sind. Also, die Aufgabe bedeutet, jetzt einen langen Atem zu haben. Wie viel Risiko steckt dahinter? Eine ganze Menge, würde ich sagen. Aber wir sind nicht unerfahren. Es ist kein Versuchsballon. Alle wie wir da sind haben unsere Vergangenheit in den Verlagen. Und auch schon lange Zeit und wir haben halt auch alle gesehen, dass es diese Zuspitzung nicht mehr gibt.

Litaffin: Klar, weil alle versuchen, die breite Masse abzudecken. Also kann man sagen, ihr Konzept ist, nicht die breite Masse abzudecken, sondern genau diese eine Spitze. Und zu versuchen, diese einzufangen?

Brands: Genau.

Litaffin: Und sich darauf zu verlassen, dass die so finanzkräftig sind…

Brands: … dass sie Bücher kaufen, ja. Natürlich hoffen wir darauf, dass diese Gruppe breit genug ist, um eine Existenz unseres Verlages zu rechtfertigen.

Litaffin: Wie stark sind Sie unterstützt von Aufbau? Sie sitzen ja im Aufbau-Haus und sind ein Aufbau-Projekt, wie stark sind Sie gebunden?

Brands: Es ist kein Aufbau-Projekt, wir gehören zur Aufbau-Gruppe. Wir sind aber kein Imprint von Aufbau oder auch kein Label, sondern wirklich ein eigenständiger Verlag mit demselben Besitzer des Aufbau-Verlags. Wir gehen einen ganz normalen Weg. Also, es gibt ja zweierlei. Einmal die Organisation unseres Verlages und dann wirklich die Unterstützung, die finanzielle, des Verlages. Wir sind ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen, das jetzt eine Anschubkraft bekommt und sich dann aber sehr schnell selbst tragen muss. Also da ist auch ein Risiko. Wir müssen also wirtschaftlich handeln und können nicht einfach nur ausprobieren, wie es uns gerade passt. Also es ist schon sehr durchdacht und wie ein ganz normales neues Unternehmen auch konzipiert. Also es ist kein Hobby unseres Besitzers oder sowas.

Litaffin: Wie sieht das denn mit E-Books aus?

Brands: Sind ein fester Bestandteil und gehören unweigerlich natürlich dazu, weil wir uns nicht mehr nur auf den Buchhandel verlassen können. Aber wir machen es jetzt erst einmal nicht so, dass wir ein originär neues Modell entwickeln, wie manche Verlage das ja schon versucht haben mit diesem Eins-Plus, also E-Book gleich drin zum Runterladen. Wir sind zu der Entscheidung für uns gekommen, dass wir es über die Pricing-Politik machen. Wir gucken uns jedes E-Book einzeln an und jedes Buch und entscheiden dann, welchen Preis es verträgt. Das soll heißen, es ist nicht prinzipiell immer 10 oder 20 Prozent günstiger als das Buch. Bei der  Jenny Lawson ist ein sehr großes Gefälle da. Da wird das E-Book sehr viel günstiger sein, als das Buch. Aber wir haben bei dem Buch auch viel mehr anzubieten, weil es die Bilder hat, weil es schön ausgestattet ist. Das ist natürlich ein Wert, auf den wir unbedingt setzen. Außerdem ist da eine Leserschaft sehr netzaffin, es ist ja aus einem Blog entstanden. Deswegen müssen wir ganz klar auch mit einem E-Book agieren. Ist aber auch nicht die Frage. Bei anderen Büchern sieht das anders aus, da sind sie wirklich dann die üblichen 10 oder 20 Prozent unter dem Ladenpreis, wo die Differenz einfach nicht so groß ist.

Litaffin: Also hat Metrolit keine Angst vor dem Thema Digitalisierung?

Brands: Im Idealfall ist es ein Hand in Hand. Angst nicht, wir setzen natürlich auch mit einer tollen Ausstattung dagegen. Ich glaube, das Buch an sich ist wertstabil. Es wird deswegen nicht sterben. Es wird sich wahrscheinlich regulieren, es gibt viele Bücher, die erscheinen dann vielleicht nicht mehr als Bücher, aber das betrifft dann vielleicht eher den Taschenbuchmarkt. Aber wir wünschen uns eine tolle Ko-Existenz, besser noch eine Synergie, die mit Jenny ja jetzt schon stattgefunden hat. Und wir beobachten und gucken, wie wir uns verhalten müssen. Wir erfinden es nicht neu, aber wir gucken, dass wir vielleicht auf den bereits existierenden Wegen neue Richtungen einschlagen.

Litaffin: Diese Woche kommen die Bücher in den Handel. Wie aufgeregt ist man da?

Brands: Sie merken es ja, ich wusste schon gar nicht mehr genau, wann die Bücher in den Handel kommen. Kurze Zeit vorher kriegt man die Bücher ja, das ist eigentlich der Punkt, wo ich denke, da ist es, jetzt fühlst du es, jetzt siehst du, wie sich das materialisiert hat. Jetzt liegt’s auch nochmal an den Zahlen, jetzt kommt die Wahrheit sozusagen, jetzt müssen wir auch verkaufen. Und die Aufregung passiert, glaube ich, nach den ersten Bestellungen und den Vormerkern.

Litaffin: Na, dann wünsche ich viel Glück und viel Erfolg!

Brands: Dankeschön, das können wir gebrauchen, danke!

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