Und was macht man damit? #18 Sophia Zeil

Schauspielerin ist sie nicht geworden, aber dem Zauber des Theaters konnte sich die junge Dresdnerin Sophia Zeil dennoch nicht ganz entziehen. Nach ihrem Studium der Editionswissenschaften an der FU Berlin arbeitet sie derzeit im Historischen Archiv der Sächsischen Staatstheater. Was sie dort genau macht und wie staubig es in so einem Archiv tatsächlich ist, berichtet sie als neue Kandidatin in unserer Reihe „Und was macht man damit?“.

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Was wolltest du als Kind werden? 

In Poesiealben von Schulfreunden schrieb ich immer „Schauspielerin“. Ob ich das wirklich werden wollte oder mich nur einfach Romy Schneider so sehr faszinierte, weiß ich nicht genau zu sagen. Das Medium Film, später das Theater, hatten es mir aber definitiv schon zeitig angetan: in andere Welten zu versinken; sich selbst als jemand anderes darzustellen; Grenzen zu überschreiten. Alternative Berufswünsche gab es jedenfalls nie.

Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?

Nachdem ich mich kurz nach dem Abi definitiv gegen ein Schauspielstudium entschieden hatte (das Vertrauen in meine nervliche Stärke, die für diesen Beruf unverzichtbar ist, war zu gering – und der Mut wohl ebenso), hing ich erstmal in der Luft. Schon in der Schulzeit hatte ich mich in die spanische Sprache verliebt, obwohl ich Englisch und Latein hatte, und war nebenbei zu Volkshochschulkursen gerannt. Während meines FSJs dachte ich mir dann, warum nicht die Liebe zum Beruf machen und entschied mich für das Studium der Hispanistik und Germanistik in Dresden. Meinen Master absolvierte ich dann im Anschluss an der Freien Universität Berlin in Editionswissenschaften. Nun kam ich an den Punkt, wo die Frage „Und was macht man damit?“ durch die Frage „Was ist denn das?“ im Ranking der meistgestellten Frage abgelöst wurde… Nur, damit hier keine Fragen offen bleiben: Die Editionswissenschaft ist die Lehre vom Edieren von Texten (u.a. historischer, literarischer, musikalischer Art), wodurch der Grundstein für geisteswissenschaftliche Forschung gelegt wird.

Wusstest du schon während deines Studiums, in welchen Beruf du möchtest?

Während meines Bachelorstudiums noch nicht. Im Master merkte ich dann schnell: Editorik ist genau das, was mir liegt und was ich machen möchte.

Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?

In Dresden habe ich in Verlagen (Thelem, Voland & Quist) und im Buchhandel gearbeitet. In Berlin durfte ich als studentische Mitarbeiterin die an an der Humboldt-Universität angesiedelte Nachwuchsforschergruppe Berliner Intellektuelle unterstützen, welche die digitale Edition „Briefe und Texte aus dem intellektuellen Berlin um 1800“ veröffentlicht. Das hieß Textcodierung nach TEI, Transkription von Manuskripten aus dem 19. Jahrhundert und Gestaltung von Flyern sowie Plakaten. Eine unheimlich wichtige und anregende Zeit! Nebenbei habe ich auf freiberuflicher Basis meine Erfahrungen, die ich im Verlag im Setzen von Texten gesammelt hatte, in Bares verwandelt und diverse Publikationen druckfertig gemacht.

Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgaben?

Seit 2016 bin ich als Elternzeitvertretung im Historischen Archiv der Sächsischen Staatstheater angestellt, eine Art lebendiges Gedächtnis der künstlerischen Vergangenheit der Staatsoper und des Staatsschauspiels Dresden. Der Bestand umfasst wahnsinnig viele unterschiedliche Archivalien, vom Programmheft um 1900, über Tausende Theater- und Konzerzettel bis hin zu Figurinen, historischen Fotos, Autographen, Rezensionen und Nachlässen. Mein Aufgabenbereich umfasst, neben der täglichen Erfassung der aktuellen Druckerzeugnisse beider Häuser und der Inventarisierung des Bestandes, die Betreuung von Nutzern, das Durchführen von Veranstaltungen und die Konvertierung von Datensätzen in unsere neue Archivsoftware. Also nix mit grauer Kittel und Ellebogenschoner! Wenn die Oper in Dresden 350 Jahre alt wird, nebenbei der Staatsopernchor 200. Jubiläum feiert und der Sächsische Archivtag ansteht, dann laufen bei uns im Team die Köpfe heiß…

Aber auch im editorischen Bereich bin ich weiterhin freiberuflich tätig. So transkribiere und kodiere ich nach Feierabend für die Digitale Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels und darf so noch ein kleines bisschen in den Netzwerken der Romantiker weiterleben.

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Erst vor zwei Jahren ist das Archiv in wunderbar moderne und große Räumlichkeiten umgezogen. Ich teile mir ein Büro mit zwei Kolleginnen. Mein Schreibtisch, flankiert von einem Flachbettscanner und einem Beistelltisch, wo sich das kostbare Gut auftürmt, weist meist diverse Arbeitsmittel auf: Handschuhe, Locher, Notizhefte, Ablagen und natürlich einen PC; aber das Beste: er ist höhenverstellbar!

Was gefällt dir besonders gut an deiner Arbeit?

Ich genieße es als nebenbei-Selbstständige sehr, mir auch im Angestelltenverhältnis meine Arbeit selbst einteilen zu können. Darüber hinaus ist es oft gar nicht möglich, den Tag im Vornherein zu planen. Kurzfristige und meist eilige Anfragen machen ein hohes Maß an Flexibilität erforderlich. Dann sind es natürlich die Bestände selbst, die meine Arbeit so interessant machen. Es erfüllt mich regelmäßig mit Stolz und Erfurcht, durch die 1000 lfd. Meter umfassende Rollregalanlage zu spazieren und den Geist der vergangenen Theater- und Opernepochen durch das Aufblättern alter Manuskripte und Fotos heraufzubeschwören. Oft stehen auch Dresdner älteren Semesters mit einem Stapel Fotos und Programmhefte vor der Tür, die sie auf dem Dachboden gefunden haben – so bleibt Geschichte lebendig.

Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?

Eine schwierige Frage… Ich glaube, was die Studienfächer angeht, würde ich mich noch einmal ähnlich entscheiden. Vielleicht würde die Wahl aber auf einen anderen Ort fallen.

Welches Buch liest du gerade? Kannst du es weiterempfehlen? Oder hast du 
einen anderen Kulturtipp?

Ehrlich gesagt, an meinem Bett stapeln sich die angefangenen Bücher. Ich habe einfach leider zu wenig Zeit zum Lesen. Unter anderen liegt dort von Bohumil Hrabal das Buch: Tanzstunden für Erwachsene und Fortgeschrittene, ein abgefahrenes Buch von dem leider nicht sehr bekannten tschechischen Autor. Daneben schlummert Anatomie der Wolken von Lea Singer, über Goethe und Caspar David Friedrich und was sie vereinte und trennte: nämlich die Anatomie der Wolken. Präzise und trotzdem wolkenleicht geschrieben.

Luisa Kaiser

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