Buchhafen
Von Juliana Klein

Kaum ein Text hat mich in meinem Bachelorstudium so überrascht, begeistert und für sich eingenommen, wie Aras Örens Berliner Trilogie. Das mag ein unerwarteter Einstieg sein, um eine Buchhandlung vorzustellen. Aber nach dieser Lektüre freute ich mich umso mehr, den Neuköllner Buchhafen zu entdecken. Wieso? Die türkische Sprache ist in Berlin omnipräsent. In Konversationen, auf Schildern. Aber wo ist sie in der Literatur? Was ist mit der Literaturgeschichte türkischer Migrant*innen und Gastarbeiter*innen? Das sind gute Fragen, die man sich stellen kann, wenn man eine durchschnittliche Buchhandlung besucht. Die Neuköllner Buchhandlung Buchafen liefert nicht unmittelbar eine Antwort, aber ein gut sortiertes Regal gefüllt mit Klassikern der türkischen Literatur sowie Gegenwartstexten der türkischen und deutsch-türkischen Literatur. Dort lassen sich Werke von Emine Sevgi Özdamar oder der neu erschienene Roman Hundesohn des Autors Ozan Zakariya Keskinkılıç (wieder)entdecken. Und selbstverständlich auch die Berliner Trilogie, deren Poem „Was will Niyazi in der Naunynstraße“ unweigerlich die Verflechtung des Berliner Pflasters mit Menschen aus der Türkei in einer beeindruckenden Form offenlegt.
Auch wenn das meine Lieblingsecke der Buchhandlung ist, so stehen ihr die anderen in nichts nach. Ein ausgesuchtes Angebot an Belletristik, das von Caroline Wahl bis hin zu Titeln unabhängiger Verlage reicht, wird flankiert von philosophischen und kulturwissenschaftlichen Texten, sowie – in der Weihnachtszeit nicht unwichtig – Karten, Lesezeichen und Notizheften. Auch junge Leser*innen oder solche, die bevorzugt auf Englisch lesen, kommen nicht zu kurz. Im hinteren Teil der Buchhandlung befindet sich neben Kinderliteratur und englischsprachiger Literatur ein liebevoll dekoriertes Klavier. Wer nach Texten über einzelne Musiker*innen, Genres oder gesellschaftspolitische Themen in der Musikbranche sucht, kann hier fündig werden.
Der Buchhafen ist eine tolle Ergänzung der Berliner Buchhandlungslandschaft. Nicht zuletzt, weil er neben der Vielfalt der Themen und Genres, die vertreten sind, auch eine Lücke füllt.
Falls ihr also noch auf der Suche nach einem (Weihnachts-)Geschenk sein solltet, wisst ihr, wo ihr fündig werden könnt – ich persönlich hätte jedenfalls schon eine lange Liste an Büchern aus dem Buchhafen, die ich mir unter meinen Tannenbaum wünschen würde!
Buchhafen: Okerstraße 1, 12049 Berlin-Neukölln
book affairs
Von Chiara Zimmermann

Die gebürtige Berlinerin Jenny Bühler übernahm im Dezember 2022 den Buchladen book affairs in der Grimmstraße. Aufgewachsen in Friedrichshain, erzählt sie, war sie als Kind „Dauergast“ in der Bibliothek unten im Kino International,mit einer langen Liste an angefallenen Leihgebühren.
Mit einer dampfenden Teetasse in der Hand durfte ich mich auf das gemütliche Sofa im book affairs kuscheln. Wir sprechen über Sinnlichkeit in der Literatur, Patrick Süskinds Das Parfum und darüber, dass Buchläden manchmal auch zu Therapiepraxen werden.
Du hast über Umwege deinen Weg zur Buchhändlerin gefunden. Fünf wichtige Merkmale einer einzigartigen Buchhandlung?
Es muss einladend sein! Und Gemütlichkeit muss vermittelt werden, sodass du dich zum Verweilen eingeladen fühlst. Es sollte ein Ort der Ruhe, der Unaufgeregtheit sein. Und gleichzeitig bedarf es eines tollen Musikkonzepts!
Hast du eine Playlist, die immer läuft?
Nein! Total Tages-/Stimmungsabhängig.
Mir war es wichtig, eine Form des Safe Spaces zu kreieren. Und dann braucht der Laden natürlich auch irgendwie einen Wiedererkennungswert.
Hardcover oder Taschenbuch?
Beides. Ich mag es, wenn Bücher Patina bekommen, aber nur außen! In Bücher reinschreiben oder unterstreichen ist für mich ein absolutes No-Go! Oder am schlimmsten: mit Neonmarker ganze Passagen markieren.
Wann liest du selbst am liebsten?
Morgens!
Und wo?
Im Bett. Ich finde Lesen etwas unfassbar Intimes. Jeder Mensch hat eine eigene Art zu lesen, schon allein, wie die Person das Buch hält.
Deine Meinung zu dem Konzept von Reading Rooms als Möglichkeit des kollektiven Alleinseins?
Schön, dass es das gibt, aber das hat irgendwie auch was Schräges. Was passiert dann mit der Intimität?
Als Buchhändlerin bist du im dauerhaften Kontakt mit den Neuerscheinungen. Wie gehst du mit der Flut an Texten um?
Das ist absolut ein Problem am Buchhändlerin sein. Ich lese viele Bücher häufig nicht mehr zu Ende. Der Anfang kann noch so toll sein, dann kommt halt direkt das nächste Buch um die Ecke.
Gibt es ein Buch, das du mehrfach gelesen hast?
Das Parfum von Patrick Süskind. Vom ersten Satz an, ein großartiges Buch.
Wie wählst du deinen Bestand aus?
Wie romantisch wäre es, nur Bücher zu verkaufen, die ich alle gelesen habe und super finde? Aber dabei gerät in Vergessenheit, dass ich immer noch Buchverkäuferin bin. Manche Bücher muss ich einfach im Bestand haben. Ich wähle auch viel nach Covern aus und finde das wichtig, dass Verlage Wert auf die Covergestaltung legen. Außerdem wollte ich sinnlich-erotischer Literatur Raum geben und habe bewusst ein Regal direkt am Eingang des Hauptraums für diese Bücher gewählt. Das spricht mich wahrscheinlich auch bei Das Parfum an, weil es so viel um Sinne geht.
Du darfst morgen ein*e Autor*in deiner Wahl treffen. Wer wäre es und was würdest du wissen wollen?
Miranda July. Ich würde sie fragen, wie das geht, sich so nackig, und so angreifbar zu machen? Sich so auszubreiten vor der Welt?
Das Doofste am Buchhändlerin-Sein?
Ganz unromantisch mit Problemen zu kämpfen, wie Anerkennung und Konkurrenz zu Monopolisten, und was für einen Einfluss diese haben.
Und das Schönste?
Die Menschen. Ins Gespräch kommen und Menschen kennenlernen. Ich habe über den Buchladen, Menschen kennengelernt, die jetzt ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens sind. Freunde, zum Beispiel auch meinen Freund. Du brauchst diese Neugierde. Du liest ja, um Geschichten zu erfahren, genauso ist das doch mit Menschen. Ein Buchladen ist doch ähnlich wie ein Frisörsalon, ich bin nicht nur Buchhändlerin, sondern auch oft die Psychotherapeutin meiner Kundschaft.
book affairs: Okerstraße 1, 12049 Berlin-Neukölln
Bücherbogen & autorenbuchhandlung
Von Malte Larssen

You’re in desperate need for Romantasy Books? Wer im Bücherbogen am Savignyplatz nach den literarischen Meisterleistungen unserer Zeit sucht, den muss ich leider enttäuschen. Die Buchhandlung bietet neben wenigen Bestsellern kaum Belletristik, überzeugt aber mit ihrem riesigen Sortiment an Büchern rund um Themen wie Kunst, Fotografie, Musik, Mode, Architektur und Film. Darunter auch einige aufwendig gestaltete Bildbände, die zwar schnell durchgeblättert, aber dafür umso schöner anzusehen sind.
Doch nicht nur Coffee Table Books könnt ihr in der City West ergattern. Die Kulturbuchhandlung besticht auch mit einer Auswahl an internationalen Zeitschriften, nach welchen ihr in anderen Buchhandlungen vergeblich sucht. Dazu gehören unter anderem verschiedene Iterationen der Vogue, 032c oder auch the gentlewoman. Auch deutsche Magazine wie Das Wetter oder das Missy Magazine könnt ihr in den Bögen unter dem S–Bahnhof finden. Wer sich bis in den letzten Raum durcharbeitet, der hat sich bei der Masse an Büchern dann auch verdient, einen Kaffee im angrenzenden Einstein Café zu trinken, welches durch einen kleinen Torbogen mit der Buchhandlung verbunden ist.
Sucht ihr also für euren knautschigen Onkel, der nicht gerne liest, sich dafür aber letztes Jahr eine Yamaha R6 Rossi gekauft hat, noch ein passendes Weihnachtsgeschenk? Dann ist der Bücherbogen am Savignyplatz vielleicht einen Besuch wert.
Mit einem Motomania Kalender im Gepäck und einem Pistachio Latte in der Hand stapft ihr zurück ins Tageslicht. Was jetzt noch fehlt, ist vielleicht der neueste Bestseller für den Bruder oder doch die neueste Ausgabe der Romantasy-Reihe für die Cousine. Auf dem Weg zur S-Bahn streift euer Blick die Schaufenster und was ist das denn? Da ist ja noch eine Buchhandlung.
Nur wenige Meter neben dem Bücherbogen findet ihr die autorenbuchhandlung und in dieser all das, was ihr im Bücherbogen vielleicht noch vermisst habt. Über drei Räume erstreckt sich ein riesiges Angebot an Belletristik, sortiert nach Verlagen, Autor*innen und Themen. Auch Kinderbücher sind darunter. Ordnungsliebende Menschen werden hier auf ihre Kosten kommen und auch gute Insta-Fotos lassen sich vor der farbig sortierten Suhrkamp Wand schießen. Dies sollte aber nicht die einzige Motivation für euren Besuch sein.
Die Buchhandlung wurde von einem Autor*innenkollektiv ins Leben gerufen, welches sich an den Bedingungen und Verkaufsstrategien der Großbuchhandlungen gestoßen haben. 50 Jahre später ist die autorenbuchhandlung eine echte Institution und schafft es auch unbekanntere Autor*innen und Verlage ins Rampenlicht zu rücken. Ihr habt den neuen Nischenroman, der in eurem Freund*innenkreis besprochen wird, nicht bei Thalia gefunden? Vielleicht guckt ihr dann mal in der autorenbuchhandlung vorbei.
Bücherbogen: Stadtbahnbogen 593, 10623 Berlin-Charlottenburg &
autorenbuchhandlung: Else–Ury–Bogen 599-601, 10623 Berlin-Charlottenburg
Schwarze Risse
Von Paolo Orru

Wer neu in die Hauptstadt zieht, wird den Satz „Berlin ist auch nicht mehr das, was es mal war“ so oder so ähnlich sicher schon einmal gehört haben. Dass die Gentrifizierung hier immer weiter fortschreitet, ist ein Gemeinplatz, klar. Ein Ort, der zum Glück noch (!) nicht von der Cleanness-Ästhetik gewisser Start-up-Cafés mit tütenblauem Logo kolonisiert wurde, befindet sich gleich an der U-Bahnstation Mehringdamm: der Mehringhof. Hier meint man ihn dann doch noch zu spüren, den (eigentlich mittlerweile längst historischen) Geist der Hausbesetzer:innenszene, die vor über 40 Jahren in den vielen Räumlichkeiten dieses Hofkomplexes zahlreiche linke Projekte ins Leben gerufen hat.
Dazu gehört auch der Buchladen Schwarze Risse, der 1980 von Mitgliedern der Anti-AKW-Bewegung gegründet wurde, in den ersten vier Jahren noch Freunde der Erde hieß und damals wie heute von einem selbstverwalteten Kollektiv betrieben wird. Zwischen dem Türkischen Arbeiterverein und einem Fahrradladen versteckt sich hier im Souterrain der Gneisenaustraße 2a vor allem eine sehr breite Auswahl politischer Texte: Bücher über den Gaza-Krieg stehen hier neben Werken zum Antisemitismus; Klassiker und Neuerscheinungen zur Ökonomie, zum Faschismus oder zur Klimakrise gibt es hier genauso wie ganze Regale, die sich dem Ableismus, der Gender- und Queer-Theorie oder dem Feminismus widmen. In der Schwarzen Risse kann man nischige Magazine wie das BOYkott (dort erst heute neu entdeckt!) und andere linke Zeitschriften kaufen, die von Kiosks in der Regel nicht angeboten werden. Außerdem gibt es einen Tisch mit Geschichtscomics, natürlich auch eine ganze Wand mit belletristischen Titeln – und guter Musik, die im Hintergrund läuft. Also: nichts wie hin!
Schwarze Risse: Gneisenaustraße 2A, 10961 Berlin-Kreuzberg
Curious Fox & Modern Graphics
Von Karlotta Nething

Zugeben, der blassgelbe Putz, der unter zahlreichen Graffiti hervorlugt, und eine Treppe ins schummrige Ungewisse passen nicht ganz zum süßen Fuchs auf dem Logo der Buchhandlung Curious Fox – doch auf diese Unstimmigkeit sollte man sich unbedingt einlassen. Wenn man draußen sein Eis so gierig verschlingt, dass einem die Zähne wehtun, erlaubt drinnen ein unaufgeregter Verkäufer, zwischen den Backsteinwänden beim Stöbern die Zeit auszudehnen, bis die Außenwelt wieder eine angenehme Geschwindigkeit erlangt hat. Während vorne neben Kunstwerken und Schreibwaren vor allem Gegenwartsliteratur ausgelegt ist, eröffnet sich weiter hinten eine beachtliche Sammlung neuer und gebrauchter Werke verschiedenster Genres und Epochen. An diesem Zahnschmerzen verursachenden Tag, der jetzt so weit entfernt wirkt wie die Planeten aus Ursula K. Le Guins Büchern, suche ich The Left Hand of Darkness. Nachdem ich erfolglos die Regale nach dem Roman abgeklopft habe, kehre ich etwas enttäuscht in den Eingangsbereich zurück. Dort sehe ich, dass jemand den Titel achtlos aus dem Science-Fiction-Regal entwurzelt und in die Nähe zeitgenössischer Feministinnen verpflanzt hat. Über diesen nicht ganz unpassenden Zufall freue ich mich so, dass ich nicht nur mit Le Guin, sondern auch mit zwei Katzenstickern und einer kitschigen Postkarte (Motiv: Köpfe von Beat-Schriftstellern, die auf Touristenkörper am Times Square gephotoshopped wurden) herausspaziere.
Nur wenige Straßen weiter begutachte ich Merchandise in dem 1991 eröffneten Hauptfranchise der Berliner Comicbuchinstitution Modern Graphics. „Read or die“, sagt ein von der Illustratorin Julia Schonlau gezeichnetes Mädchen auf einem neonorangen T-Shirt. So sehr ich andere Menschen für Graphic Novels begeistern möchte, fürchte ich mich auch vor dem wachsenden Bücherstapel auf meinem Nachttisch: Den Laserblick des Mädchens vermeide ich daher während meines restlichen Besuchs. Im Modern Graphics werden neue und gebrauchte Comics, Mangas und Graphic Novels angeboten – sowohl von breit aufgestellten Verlagen wie Carlsen und Fischer als auch von klassischen Comicbuchverlagen wie Panini und Splitter. Interessierten wird das Eintauchen in die Comicwelt nicht nur durch die akribisch geordneten Regale, die breite Themenauswahl (von Fantasy zu Politik zu Musikbiografie zu Queerness ist alles dabei) und Veranstaltungen mit lokalen Künstler:innen ermöglicht, sondern auch durch ein fachkundiges Personal, das jede vermeintliche Nischenanfrage sofort ausfindig macht. Personen verschiedener Altersgruppen, die sich zielstrebig ihren Lieblingsgenres widmen, mischen sich mit Eltern, die die scheinbar randständigen Lesegewohnheiten ihrer Kinder kennenlernen wollen. Egal, ob sie davor einen Bezug zu Comics hatten oder nicht – für einen Moment lassen sich alle mitreißen. Wie schön, innerhalb eines Nachmittags in so viele Universen eintauchen zu können.
Curious Fox: Lausitzer Platz 17, 10997 Berlin-Kreuzberg &
Modern Graphics: Oranienstraße 22, 10999 Berlin-Kreuzberg
eisenherz
Von Julie Wolz

Wer an einem kühlen Adventssonntag durch die Motzstraße schlendert, bleibt früher oder später vor den großen, bunten Schaufenstern des Buchladens eisenherz stehen. Mit den Pride-Dekorationen und sorgfältig arrangierten Neuerscheinungen wirkt der Laden schon von außen unheimlich einladend.
Innen öffnen sich zwei Haupträume, bis unter die Decke vollgepackt mit Büchern. Das Sortiment ist so vielfältig wie die queere Community selbst: Fotobände, Belletristik, Krimi, Fantasy & Sci-Fi, Comics, Geschichte, Kunst- und Kinderbücher, Ratgeber sowie ein großzügiger Bereich zu Berlin und seiner Stadtgeschichte. Gleich im Eingangsbereich präsentiert ein wöchentlich wechselnder Tisch die neusten Titel, und über der kleinen Sitzecke verraten die „Empfehlungen des Monats“, was das Team aktuell begeistert. Wer noch tiefer eintauchen möchte, findet im Hinterzimmer einen eigenen Raum für DVDs und Filmbände.
Was Eisenherz jedoch wirklich unverwechselbar macht, ist sein Herz für die Community. Seit 1978 bietet der Laden nicht nur Bücher, sondern einen echten Safe Space. Lesungen, Signierstunden, Diskussionsrunden und der Queer Book Club bringen Leben in die Räume und ein kleiner Ausstellungsraum zeigt regelmäßig queere Kunst und lädt zum Verweilen ein.
Für alle, die nicht erst lange nach queeren Protagonist*innen in ihrem nächsten Roman suchen möchten, lohnt sich ein Besuch im Buchladen eisenherz ganz sicher!
eisenherz: Motzstraße 23, 10777 Berlin-Schöneberg

Schreibe einen Kommentar