Was ich von Lena Dunham so gelernt habe

Lena Dunham – gehypt, Stimme unserer Generation und laut Time Magazine eine der einflussreichsten Personen unserer Zeit. Wirklich? Wer ist diese Lena Dunham überhaupt und warum verwurstet sie ihr Leben in allen möglichen medialen Formaten? Nach Erscheinen ihres Buches Not That Kind Of Girl kam ich nicht umhin, mich auf ihren Personenkult einzulassen.

© S. Fischer Verlage
© S. Fischer Verlage

Vor einem Monat, am 4. Dezember, sollte Lena Dunham im Deutschen Theater live und in Farbe zu sehen sein. Ich hatte sogar eine Karte ergattert. Einen Tag vorher wurde die Veranstaltung jedoch aus Krankheitsgründen abgeblasen. Einen kleinen Schatten warfen auf diese Erklärung allerdings die Missbrauchsvorwürfe, die zu der Zeit bei Twitter für Aufwind sorgten. Aus Frust schaute ich mir noch einmal die ersten Staffeln Girls an, die in meinem Serienregal stehen.

HBO und das wahre Leben

Girls – drei Staffeln gibt es bereits von der hochgelobten und heiß diskutierten HBO-Serie, die seit 2012 ein ungeschminktes und ungeschöntes Bild unserer Generation zeichnet, meiner Generation. Zähle ich damit auch zur Zielgruppe? Ich kann mich auf jeden Fall darin wiedererkennen. Es wird ein Leben gezeigt, das geprägt ist von unbezahlten Praktika, von der Abhängigkeit von den Eltern, von Idealen, die man verfolgen will, und Träumen und Wünschen, die sich wohl nie erfüllen werden. Hannah (gespielt von Lena Dunham) und ihre drei Freundinnen  Jessa, Marnie und Shoshanna zeigen das echte Leben. Und warum kommt es einem so echt vor? Weil vieles davon wirklich passiert ist. Das will ich genauer wissen. Lena Dunhams literarisches und autobiografisches Debüt Not That Kind Of Girl. Was ich im Leben so gelernt habe kommt also genau richtig.

Who’s next?

Ein bisschen witzig ist es ja schon. In Girls bekommt Hannah ihr Buch, an dem sie schreibt, nie wirklich zu Stande beziehungsweise scheitert daran, einen richtigen Verlag zu finden. Ein Indiz dafür, dass auch Schöpferin Lena sich nichts selbst ausdenken kann, sondern es nur schafft, auf ihren eigenen Fundus an Erfahrungen zurückzugreifen? Ich beginne die Lektüre und muss feststellen, dass mich die ersten Sätze des Vorwortes tatsächlich ansprechen: „Ich bin zwanzig Jahre alt, und ich hasse mich. Mein Haar, mein Gesicht, die Wölbung meines Bauchs. Wie meine Stimme kippt, wenn ich spreche.“ Auch wenn das eher wie ein Teenager klingt und „hassen“ ein wenig überzogen ist – wer kennt solche „Probleme“ nicht?

Über das erste Kapitel gibt es eigentlich nicht mehr zu sagen, als dass es um Sex geht und das Wort „Vagina“ gefühlte 1000 Mal vorkommt. Gähn! Nein wirklich, das hätte sie sich sparen können. Ob nun Devon, Ben, Jonah oder Barry (eine Vergewaltigung?!) – ich weiß zumindest nicht mehr, wann sie was mit wem hatte und ob es nun gut oder schlecht war. Aber das ist vermutlich auch egal. Nach diesem, leider umfangreichsten Kapitel kann es eigentlich nur noch besser werden.

Diäten sind doof, nylonverpackte Penisse aber auch

Das zweite Kapitel widmet sich dem Thema „Körper“. Ein recht kurzes und unterhaltsames Kapitel, das sich perfekt eignet, um die öde Bahnfahrt am Morgen zur Arbeit zu überstehen. Wie sinnvoll es wirklich ist, seinen „Diät-Plan“ (haha) seitenweise aufzulisten, ist eine andere Frage, aber zumindest ist das Thema „Essverhalten“ doch etwas, was jeden beschäftigt. Egal ob das Ganze nun mit einer (gescheiterten) Diät, der Angst der Eltern, man habe eine Essstörung, oder einfach der Tatsache einhergeht, dass Lena Dunham ihre Essgewohnheiten bislang schützenswerter hielt als ihre Sexpartner oder Passwörter.

Dass Lena Dunham nicht scheu ist, ihren Körper zu zeigen, wissen spätestens diejenigen, die eine Folge Girls gesehen haben. Mut zur Nacktheit, auch wenn der eigene Körper nicht perfekt ist. Das ist wahrhaft eine Botschaft, die Anklang findet. Und gerade das sind die Stellen im Buch, die lesenswert sind, die zeigen, dass auch jemand wie Lena Dunham eine ganz normale junge Frau ist, die sich nicht verstellt und die kein Problem darin sieht, sich anderen so zu präsentieren, wie sie ist. Spannend wird es dann besonders, wenn sie Set-Erfahrungen teilt, denn Film-Sex ist alles andere als leicht: „Es ist total merkwürdig. Ja, es ist nur ein Job, aber bei den meisten Jobs wird nicht von einem verlangt, dass man seine Vagina gegen den schlaffen, nylonverpackten Penis eines Typen drückt, der tonnenweise Make-up trägt, um die Akne auf seinem Arsch abzudecken.“

Listen, Protokolle und der Ernst des Lebens

Bei aller Ironie weiß Lena Dunham aber auch zu berichten, dass sie wie jeder Mensch Ängste hat und nicht immun gegen schlechte Neuigkeiten ist. Ein so ernstes Thema wie eine Krankheit kommt daher etwas unerwartet. Klar, sie ist nicht sterbenskrank, aber wenn die Gebärmutter und die eventuelle Beeinträchtigung Kinder zu bekommen, ins Gespräch kommen, findet das jede Frau höchst besorgniserregend. Doch Ängste nehmen auch sonst in ihrem Leben einen sehr hohen Stellenwert ein. Das reicht von der Angst, von ihren Eltern getrennt zu sein, über diverse Besuche bei diversen Therapeuten sowie Gedanken über Tod und Sterben bis hin zur Top Ten ihrer Ängste in Sachen Krankheiten. Listen zu schreiben scheint ein regelrechtes Hobby zu sein. In jedem Kapitel gibt es davon mehrere oder zumindest eine. Das sind zum Beispiel Dinge, die sie von ihrer Mutter gelernt hat („Barbie ist entstellt. Solange dir das klar ist, darfst du ruhig mit ihr spielen.“), Dinge, die man lieber nicht zu seinen Freunden sagt („Schönes Leben noch, Bitch.“) oder auch „E-Mails, die ich abschicken würde, wenn ich ein klein bisschen verrückter/wütender/mutiger wäre“.

„Das große Ganze“

So lautet der Titel des letzten Kapitels, das nach Abhandlungen zu Freundschaft (im Grunde ging es auch wieder nur um Sex und Trennungsschmerz, aber dieses Mal mit dem Fokus auf dem gleichen Geschlecht) und Arbeit (im weitesten Sinne) alles vereint, was sonst wohl nirgendwo anders im Buch unterzubringen war. Tatsächlich befinden sich auf diesen letzten Seiten aber sehr witzige Passagen mit den erwähnten ungeschriebenen E-Mails und Zukunfts-Racheplänen. Außerdem erfährt man, wo beispielweise die Girls-Episoden mit dem Wattestäbchen-zu-tief-ins-Ohr-stecken und Jessas Phase im Kindermodeladen ihren Ursprung haben.

Im Großen und Ganzen heißt dieses Buch für mich vor allem eins: Unterhaltung, hübsch verpackt mit ansprechendem Vorsatzpapier und netten Illustrationen und der Bestätigung, dass man mit seinen blödesten Gedanken, Ängsten und Aktionen nicht allein dasteht. Im Gegenteil, man kann damit sogar Geld verdienen. Und auch wenn oder gerade weil das Buch nicht perfekt ist, sondern einen an einigen Stellen immer wieder rauswirft, denke ich, dass Lena Dunham alles richtig macht. Wichtig ist wohl vor allem, sich selbst nicht immer zu ernst zu nehmen, dann wird schon alles klappen. Lena Dunham ist dafür das beste Beispiel.

Es wäre schön, wenn ich jetzt schreiben könnte, dass es morgen endlich soweit sein wird und ich Lena Dunham höchstpersönlich treffe. Aber man kann schließlich nicht alles haben. Und so wird sie für mich wohl immer ein kleines oder größeres Mysterium bleiben, das es lohnt, im Auge zu behalten.

Morgen, am 7.12. um 20:30 Uhr, findet im Deutschen Theater der neue Termin „ZEIT-Magazin im Gespräch mit Lena Dunham“ statt. Vielleicht hattet ihr ja das Glück, schnell genug an Karten zu kommen.

Lena Dunham: Not That Kind Of Girl. Was ich im Leben so gelernt habe. Aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz und Tobias Schnettler. Mit Illustrationen von Joana Avillez. Essays. S. Fischer Verlag 2014. 304 Seiten. Gebunden. 19,99 €.

Umfangreiches Material, Interviews und Videos findet ihr auf der Website des Buches. Außerdem gibt’s hier noch ein paar lesenswerte Links:
Heike Kunert (Zeit Online): Wer viel vögelt, lernt fliegen
Anne Philippi (Krautreporter): Lena Dunhams Haar ist jetzt ein Superstar
BuzzFeed: 32 Reasons Why Lena Dunham Is Absolutely Brilliant
BuzzFeed: Lena Dunham Responds To Accusations That She Sexually Abused Her Sister

Sophie Gottschall
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