
Ihr seid noch auf der Suche nach einem Buch zum Verschenken? Oder einer Lektüre für die Weihnachtstage? Kein Problem, we got you. Die Redaktion hat ihr Lesejahr Revue passieren lassen und präsentiert euch im diesjährigen Litaffin-Adventskalender Lieblingsbücher, Coverkäufe, aber auch Memes und Gedichte.
16. Dezember

Von Klara Siedenburg
17. Dezember

„Die Häutungen“ von Lucía Lijtmaer (übersetzt von Kirsten Brandt) durfte mich in diesem Jahr in den Sommerurlaub nach Schweden begleiten. Schon im letzten Herbst in der Vorschau entdeckt, hat es sich sehr gelohnt, das Buch für einen ruhigen Moment aufzuheben.
„Die Häutungen“ erzählt die Geschichte zweier Frauen: die namenlose Protagonistin flüchtet nach einer toxischen Beziehung aus Barcelona nach Madrid, wo sie Rachepläne schmiedet und versucht, sich ein neues Leben aufzubauen. Gleichzeitig hat sie Visionen vom Untergang ihrer Heimatstadt. Deborah Moody lebt im England des 17. Jahrhunderts. Wegen ihres Glaubens verfolgt, flüchtet sie in die amerikanischen Kolonien. Als erste weibliche Landbesitzerin und Mitgründerin einer radikal-reformatorischen Kirche wird sie zu einer der „gefährlichsten“ Frauen ihrer Zeit. Abwechselnd schildern die beiden Protagonistinnen in Retrospektive, wie sie zu dem Punkt gekommen sind, an dem sie nun stehen.
Mit seinen facettenreichen Figuren und seiner prägnanten wie poetischen Sprache zieht der Roman seine Leser*innen in seinen Bann. „Die Häutungen“ ist das perfekte Love Child von Female Rage und historischem Roman – und eine absolute Leseempfehlung.
Von Sophie Lerche
18. Dezember

Fien Veldmans „HARD COPY” fiel mir in die Hände, als ich mit einer Freundin durch die englische Buchhandlung bei Dussmann flanierte. Es ist eins dieser Cover, die einen (zumindest mich) sofort nach dem Buch greifen ließen. Ich habe dieses Jahr viel Repetitives auf Covern gesehen, aber hier passte alles. Das körnige Foto, der türkise Laser und die Skalierung am Rand – ich schaue das Buch einfach total gerne an. Außerdem war ich gleich Feuer und Flamme, nachdem ich gelesen hatte, was in der oberen Ecke des Covers steht: „This is a story of girl meets printer”
Nachdem ich für die Hälfte des Jahres in einem Copy Shop gejobbt habe, fühlte ich mich diesem Satz sehr verbunden. Ich hatte geradezu das Gefühl, dass dieses Buch mich finden musste. Der Meinung war auch meine Freundin, die mir das Buch spontan als nachträgliches Geburtstagsgeschenk überreichte.
Vom Text bin ich allerdings noch nicht ganz so enthusiastisch mitgerissen worden wie durch das Cover, weswegen ich inhaltlich noch wenig sagen kann. Dabei ist die Prämisse nach meinem Geschmack. Es geht um eine Frau, die im Kundenservice arbeitet und ihre langen Arbeitstage vordergründig in Gesellschaft eines alten Druckers verbringt. Ihm erzählt sie von ihren Ängsten und Hoffnungen, von Problemen und Träumen. Während ihr Chef glaubt, sie würde ihren Verstand verlieren, wird das Band zwischen ihr und dem Drucker immer stärker. Viel mehr weiß ich noch gar nicht, aber vielleicht – so bleibt zu hoffen – werde ich bis zur kommenden Weihnachtszeit 200 weitere Seiten gelesen haben und mehr zu dem Buch sagen können, als es nach seinem Cover zu beurteilen.
Von Helene Schlesier
19. Dezember

Ich habe besonders zur Weihnachtszeit ein Herz für Magisches. Daher bringe ich euch heute direkt zwei meiner liebsten magischen Abenteuergeschichten für die Schlafanzugtage mit:
Diana Wynne Jones hat mit „Das wandelnde Schloss“ nicht nur die Vorlage für den bekannten Ghibli-Film geschrieben, es ist auch ein niedliches Märchen darüber, wie man seinen Platz findet und wie unverhofft manchmal die Liebe kommt. Genau der Wohlfühlcontent, bei dem mir warm ums Herz wird und den ich zu Weihnachten brauche.
Die junge Hutmacherin Sophie legt sich mit einer Hexe an und wird zur Strafe in eine alte Frau verwandelt. Sie verlässt ihre Heimatstadt und findet als Putzkraft ausgerechnet Unterschlupf in dem unheimlichen und sich ständig bewegenden Schloss des herzlosen Zauberers Howl. Sie schließt vor allem den Zauberlehrling Michael und den etwas eigensinnigen Feuerdämon Calcifer ins Herz. Ohne es zu wollen, gerät Sophie in ein skurriles Abenteuer mit eigensinnigen Magiern, verschwundenen Prinzen und unheimlichen Vogelscheuchen. Dabei versucht sie nicht nur, den Fluch der Hexe zu brechen, sondern lernt auch, dass der eitle Zauberer Howl gar nicht so herzlos ist.
Mit dem ersten Teil von Ursula K. Le Guins Erdsee-Trilogie ist es ähnlich. „Ein Magier von Erdsee“ ist zwar weniger humorvoll, hinterlässt aber trotzdem das Gefühl von guten Wollsocken an den Füßen.
Der junge Duni, genannt Sperber, besitzt ein magisches Talent. Nachdem er sein Heimatdorf vor einem Überfall rettet, beschließt er, Magier zu werden und besucht die Zauberschule auf der Insel Rokh. Im Streit mit einem Mitschüler beschwört der junge Magier ein unheimliches Wesen, das ihn von da an verfolgt und nach seinem Leben trachtet. Es gilt, sich diesem zu stellen.
Wer jetzt denkt, dass das alles nach Harry Potter klingt, der hat nicht ganz unrecht. Ich kann euch aber sagen: Le Guin war zuerst da! Dieses Buch ist für alle, die Lust auf ältere Fantasy und gute Abenteuergeschichten haben.
Von Klara Siedenburg
20. Dezember

England in den 1930er-Jahren. Der Hauslehrer einer reichen Familie wird von seinem Arbeitgeber zu einem Pferderennen eingeladen. Das Arbeitsverhältnis ist für ihn ein Zustand der Dauerdemütigung und des unterdrückten Hasses. Doch anstatt abzusagen oder zu kündigen, sagt er zu und will sich anders aushelfen: Er beschließt, während des Ausflugs den Verstand zu verlieren.
„Symbolisch würde er all die elenden Unterwürfigkeiten der vergangenen drei Monate von sich abwaschen.“
Aus Verzweiflung über sein Leben und die politischen Verhältnisse will er seine Psyche zum Kippen bringen. Auch in der Hoffnung, eine höhere Erkenntnis zu erlangen. Er steigert sich in Panikgedanken; und jeder Gedanke wird für ihn zur Sackgasse und Bedrohung. Dass alles falsch ist, lässt ihn zwischen Selbsthass und nach außen gerichteten Gewaltfantasien schwanken. Irgendwann ist er sich nicht mehr sicher: Verfolgt er gerade aktiv ein Ziel oder ist er einem Sog ausgeliefert? Liegt er richtig oder falsch? Es ist paranoide, dissoziative, fieberhaft anschwellende Krisenprosa.
Völlig beschädigt scheint die Urteilsfähigkeit des Hauslehrers jedoch nicht zu sein. Denn parallel zu seinen Panikschüben hat er ein ziemlich gutes Gespür dafür, was passiert. Sein Hass richtet sich gegen die Dekadenz und Menschenfeindlichkeit im riesigen weißen Festzelt des Pferderennens: Ein Psychologe versucht ihn davon zu überzeugen, politische Sorgen seien einzig Ausdruck unausgelebter Begierde; ein Freund seines Arbeitgebers erzählt ihm träumerisch von seinen Kolonialmorden; und schließlich machen alle Anwesenden um ihn im Festzelt den faschistischen Gruß.
„Reise an die Grenze“ von Edward Upward bewegt sich irgendwo zwischen Protokoll eines individuell gequälten Bewusstseins und kommunistischer Mobilisierungsschrift. Ist es zu schaffen, in einer katastrophalen Weltlage nicht durchzudrehen? Das ist vielleicht nicht der klassische Weihnachtsstoff, aber aktuell, interessant und stilistisch beeindruckend.
Von Sidney Kaufmann
21. Dezember

Heute gibt’s exklusive Insights in die Notes-Apps der Litaffin-Redaktion (lieben wir doch alle, oder?) – auch wenn wir euch unsere Passwortlisten und Liebesgedichte natürlich lieber vorenthalten. (Zu finden auf unserem Instagram-Account.)
Idee von Helene Schlesier
22. Dezember

Schon seit längerer Zeit habe ich vor, mich durch die Bibliographie von V. E. Schwab zu arbeiten. Bei mehr als zwanzig Büchern war ich jedoch mit der Auswahl überfordert und habe spontan zu dem Buch gegriffen, dessen Cover bei mir das größte Interesse geweckt hat.
„Gallant” ist die Geschichte der sechzehnjährigen Olivia, die fast ihr gesamtes Leben in einem Heim für Mädchen verbracht hat. Ihr Traum, diesen trostlosen Ort verlassen zu können, geht endlich in Erfüllung, als sie einen Brief erhält, der sie nach Gallant beschwört, einem alten Anwesen der Familie, die sie nie kennengelernt hat. Dort erfährt sie von einer Welt aus Schatten, wie ein farbloses Spiegelbild ihrer Umgebung. Und von jemandem mit dunklen Kräften, der in diesen Schatten wartet und seine Hände nach ihr ausstreckt.
„Real, she is learning, is a slippery thing, not a solid black line but a shape with soft edges, a great deal of gray.” (S. 218-219)
V. E. Schwab kreiert mit ihrer bildhaften Sprache ein eindrucksvolles Porträt von Gallant und dessen Ebenbild aus Schatten und zieht damit Leser:innen ebenso in den Bann, wie es der Ort mit Olivia tut.
Von Antonia Prume
23. Dezember

In „Alphabetical Diaries“ hat Sheila Heti ihre Sätze aus einem Jahrzehnt Tagebuchschreiben in eine Excel-Tabelle hochgeladen und alphabetisch ordnen lassen. Immer wenn ihr die Arbeit an ihren Romanen „How should a Person Be?“ und „Pure Color“ zu intensiv wurde, holte sie das Dokument hervor und bearbeitete die Sätze ihrer Tagebücher, schnitt aus und arrangierte neu, bis aus 500.000 Wörtern noch 60.000 Wörter übrigblieben.
Ihre Sätze handeln von ihrer Sehnsucht nach Gesellschaft und dem Alleinsein. Vom kreativ sein. Vom obsessiv sein. Sie ist lüstern, eifersüchtig und eitel, verbringt Zeit in New York, London, Paris und Berlin. Sie räumt ständig auf, geht einkaufen und sorgt sich ums Geld. Wie das Leben halt so ist. Und so, wie man eben sein kann: abschweifend und sich immer wundernd.
Mich beeindruckt an ihrem Schreiben vor allem die Art, wie sie sich in der Welt bewegt und wie offen sie ihre Zweifel in Freundschaften, Beziehungen, als Beobachterin und Schreibende mit uns teilt. Wie humorvoll sie dabei ist und wie neugierig sie mit sich selbst Zeit verbringt: sich erlaubt, diese (klugen) kleinen Stimmen, diese, das eigene Leben kommentierenden Gedanken, die einem häufig so banal erscheinen, einen aber überallhin begleiten, wahrzunehmen und dann aufzuschreiben.
Ihre Sätze lesen sich chaotisch, aber nicht weniger poetisch. Mit ihrer Herangehensweise verbindet sie das Rationale der Tabellenkalkulation mit der Intimität des Tagebuchschreibens und bricht Prosa auf ihre Essenz herunter: den Satz. Zwischen ihren Sätzen finde ich mich aufgehoben. Damit wurde Sheila Heti in diesem Jahr zu meiner neuen Lieblingsautorin.
Von Jacquelin Strobel
24. Dezember
And with that the 2024-Adventskalender-Season comes to an end! Die Litaffin-Redaktion wünscht allen fröhliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr. Wir verabschieden uns hiermit in die Weihnachtspause. Der Laptop wird zugeklappt, und wir werden die Feiertage gemütlich mit unseren Büchern auf dem Sofa verbringen. Zwischendurch müssen wir das Buch aber auch mal beiseitelegen – für das Familienfestessen, das letzte Plätzchenbacken oder um Weihnachtsfilme zu schauen. Welche Lesezeichen uns dabei helfen, bei der richtigen Stelle weiterzulesen und geduldig zwischen den Seiten auf uns warten, möchten wir euch in unserem letzten Adventstürchen erzählen:
1. “Ich liebe mein Eselsohrensystem! Ich habe es von einem Freund abgeschaut, und es hat sich über viele Jahre bewährt: Eselsohren oben als Lesezeichen und Eselsohren unten für die Seiten mit meinen Lieblingsstellen.” – Helene

2. „Mein aktuelles Lesezeichen ist ein Wackelbild aus einem der Schokofrösche, die allen Harry-Potter-Fans wohl bekannt sind.“ – Antonia

3. “In meinen Büchern klemmt immer irgendeine Postkarte. Meistens weiß ich nicht, wohin mit den Karten, und so habe ich sie immer wieder in der Hand und denke an all die süßen Menschen, die mir noch Ansichtskarten schicken.” – Hannah-Lou

4. “Gerade liegt dieses Lesezeichen in dem Buch, das ich momentan lese. Das habe ich erst neulich beim Weihnachtsgeschenkeshoppen in einer japanischen Papeterie entdeckt und musste es gleich wegen der niedlichen Katze mitnehmen.” – Inga

5. “Ich annotiere, aber ohne Konzept. Wenigstens sieht mein Lesezeichen aus, als wäre ich eine academic weapon.” – Klara

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