Und was macht man damit? #17 Svenja Heinrichs

Bei dem, was gerade so auf den Bühnen und Leinwänden der Deutschen und Österreichischen Kultur zu sehen ist, da hat auch Svenja Heinrichs ein bisschen ihre Finger im Spiel. Die selbstständige Produktions- und Regieassistentin erzählt uns in einer neuen Ausgabe von „Und was macht man damit?“ wie ihr Sozialwissenschaftsstudium sie dahin gebracht hat, wo sie heute ist und sie beweist noch einmal: Sozial- und Geisteswissenschaftler gehören in kreative Berufe! Und können es sogar schaffen, dass ihre Filme auf der Berlinale laufen. Lest selbst:

Was wolltest du als Kind werden?

Ich wusste schon früh, dass ich ein sehr starkes Mitteilungsbedürfnis habe und Geschichten erzählen möchte. Als Kind dachte ich, das ginge nur, wenn ich mich selbst zu einem Produkt mache. Die Medien (Fernsehen, Teeniezeitschriften etc.), die ich damals in einem übertriebenen Maß konsumiert habe, gaben mir das Gefühl, dass die Selbstinszenierung der einzige Weg sei, sich Gehör zu verschaffen. Ich wollte also auf die Bühne, performen, darstellen. Angefangen mit der fixen Idee, Britney Spears zu sein (ich kann immer noch alle Texte und Choreos!), bis hin zur Musicaldarstellerin. Am Ende blieb die Idee der Schauspielerei über.

Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?

Während ich noch an Schauspielschulen vorsprach, hatte ich ein Studium der Germanistik und Philosophie in Frankfurt am Main begonnen. Von Philosophie war ich sofort begeistert, Germanistik hingegen war komplett auf die Lehramtsstudierenden ausgerichtet und mir fehlten die Freiheiten. Nach ein paar Vorsprechen merkte ich schnell, dass dieses Schauspielerleben nicht meins werden würde. Sich komplett nackt machen, psychisch wie auch physisch, die Hoffnung dem „richtigen Typ“ zu entsprechen – das konnte und wollte ich nicht austragen.
Um einen kompletten Schnitt zu machen, brach ich also das Studium in Frankfurt ab und bewarb mich in den unterschiedlichsten Städten, ohne genau zu wissen, was ich eigentlich machen wollte. Am Ende kam das Studium der Sozialwissenschaften und Sozialpsychologie an der Leibniz Universität Hannover dabei heraus.

©Svenja Heinrichs
©Svenja Heinrichs

Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?

Während meines Studiums in Hannover war ich Mitglied des Studierendentheaters des Schauspiels Hannover. Also immer noch auf der Bühne. Im Laufe der Zeit musste ich an mein erstes Praktikum nach dem Abitur denken, das ich in der Dramaturgie des Staatstheater Mainz absolviert hatte. Mich interessierten die Konzeptionshintergründe, die ganze Organisation und ich hatte Ideen, die ich umsetzen wollte. Gleichzeitig begann ich als Ausstattungs- und Kostümassistenz bei Kurzfilmprojekten von Freund*innen und Bekannten auszuhelfen. Gegen Ende meines Studiums vermittelte mich dann eine Freundin an einen Dozenten der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover, welcher jedes Jahr mit den Schauspielstudent*innen der Uni ein Stück auf die Beine stellt. Das war meine erste Regieassistenz.

Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgabenbereiche?

Ich arbeite selbstständig als Produktions- und Regieassistentin für Film- und Theaterproduktionen. Dementsprechend ist mein Aufgabenbereich ziemlich undefiniert und unübersichtlich, doch das ist toll. Man trifft immer auf neue, unterschiedliche Leute, die alle für das jeweilige Projekt brennen. Für mich ist auch das Wichtigste, Teil von „Herzensprojekten“ sein zu können. Natürlich bleibt die Unsicherheit: Finde ich direkt danach wieder was? Nimmt mich die oder der mit zu einem neuen Projekt? Wie lange kann ich mir finanziell eine Art Regenerationszeit „gönnen“? Im letzten Jahr bin ich dann von den assistierenden in die führenden Positionen gegangen. Habe zum ersten Mal selbst Regie geführt und einen Kurzfilm koproduziert. Das möchte ich dieses Jahr gerne noch öfter machen.

Wie sieht dein Arbeitsplatz gerade aus?

Jetzt gerade arbeite ich wieder an einem Theaterprojekt und assistiere der Dramaturgie. Nach den letzten Filmprojekten wollte ich unbedingt wieder ans Theater. Ich liebe zwar den Entstehungsprozess beim Film, doch die Arbeit am Theater hat eine ganz eigene Dynamik. Sechs bis acht Wochen sitzt das Team täglich zusammen. Anfangs werden der Stoff und die möglichen Leitmotive besprochen, reingeworfen und wieder rausgenommen. Während der szenischen Proben hat man immer im Hinterkopf, dass die Schauspieler*innen das entstehende Stück öfter, vielleicht sogar mehrere Jahre, jeden Abend neu auf die Bühne bringen müssen. Da entsteht eine ganz besondere Energie

Was inspiriert dich an deiner Arbeit und was gefällt dir besonders gut daran?

Ich hoffe, das klingt jetzt nicht abgedroschen und wenn doch, ist es mir recht: die Leidenschaft. Zu merken, wie fasziniert Menschen von Ideen sein können, Lust haben ein Teil davon zu werden und sich mit all ihren Fantasien, unterschiedlichen Hintergründen und Möglichkeiten darauf einzulassen. Dass am Ende eine Geschichte entsteht, die die unterschiedlichsten Botschaften auf mehreren Ebenen an die anderen „da draußen“ sendet und hoffentlich Gefühls- und Identifikationsmomente schafft.

Wie fühlt es sich an, wenn plötzlich ein Film, an dem du mitgearbeitet hast, auf der Berlinale läuft?

Immer noch nicht  ganz wirklich. Natürlich schickt man einen Film bei Festivals ein, mit der Hoffnung, dass er angenommen wird und so ein Publikum bekommt. Aber trotzdem ist man von jeder positiven Antwort überrumpelt und begeistert. Das zeigt ja auch, dass Menschen sich angesprochen fühlen von dem, was das Team unter meist abstrusen Bedingungen auf die Beine gestellt hat. Was die Berlinale angeht (es ist die Weltpremiere von MIKEL), muss ich zugeben: Je näher das Festival rückt, desto unwirklicher erscheint es mir.

Liest du gerade ein Buch, das Du uns empfehlen kannst?

Weil wir grade mitten in den Proben stecken: „Die Welt im Rücken“ von Thomas Melle. Jan Bosse inszeniert diesen Roman am Wiener Akademietheater und ich bin mächtig stolz darauf, ein Teil dieser Produktion sein zu dürfen. Der Autor teilt mit dem Leser sein Leben mit der Diagnose „Manische Depression“. Anhand der Kombination von poetischer Sprache und knallharten Erkenntnissen über die Stärke dieser Krankheit gelingt es Melle unheimlich gut, intensiv und direkt die Erlebnisse und Konsequenzen näherzubringen.

Hast du noch einen anderen, aktuellen (Berliner) Kulturtipp bzw. Filmtipp?

„La La Land“ von Damien Chazelle (wenn den nicht sowieso schon jeder gesehen hat). Mein Musicalherz hüpft höher und gleichzeitig finde ich die Reife und Ehrlichkeit der Protagonist*innen ganz wunderbar anzuschauen. Ansonsten werde ich mit offenen Augen durchs Berlinalegewusel schlendern und kann das jedem empfehlen. Vor allem in den Nachwuchs- und Kurzfilmkategorien (Shorts und Perspektive Deutsches Kino) findet man tolle Neuigkeiten. (Ich hoffe, das klingt nun nicht nach Werbung in eigener Sache.)

Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? 

Ich würde nichts ändern an meiner Studiengangswahl. In jedem neuen Projekt wird mir klar, dass sich die Theorien, die ich im Studium kennengelernt habe, oft in den jeweiligen Stoff einbinden lassen. Ich kann schnell Bezüge herstellen und hab meistens schon Sekundärliteratur zum Vertiefen bestimmter Thematiken im Hinterkopf. Vor allem haben mir meine Studiengänge und der Studiumsalltag an der Soziologischen Fakultät Hannover sehr viel über mich selbst, meine Umwelt, Wahrnehmung im Allgemeinen und Partizipation gelehrt. Das möchte ich nicht missen.

Ann-Kathrin Canjé
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