Sommer 2015: Das liest die LITAFFIN-Redaktion #Teil 1

Der diesjährige Sommer ist ganz schön durchwachsen: mal sengende Hitze, mal grau-stürmisches Herbstwetter. Immerhin sollten so für jeden mal die perfekten Bedingungen zum Lesen dabei sein. Sommer heißt aber vor allem auch, raus aus dem Alltag und ab ans Meer, in die Berge oder eine neue Stadt erkunden. Welche Bücher wir von LITAFFIN diesen Sommer schon gelesen haben und welche in unsere Koffer wandern, erfahrt ihr hier. Als erstes von Anna und Sophie.

Sophie …
hat gerade gelesen: Luise Boege: Kaspers Freundin. Verlag Reinecke & Voß 2015. 229 Seiten. Broschur. 14,00 €.

Darum geht’s: Eigentlich ist „Kaspers Freundin“ kein klassisches Buch für den Sommer, da die Atmosphäre eher kühl und düster ist. Doch das ist an einem heißen Tag gar kein schlechter Ausgangspunkt, um Kopf und Gedanken abzukühlen. Eine Schauernovelle mit Beziehungsdrama, Vampiren und halsbrecherischer Komik – eine Kombination, die mich gleich neugierig gemacht hat und mal abweicht von den Themen, die Schreibschulen-Absolventen sonst in ihren Debüts bedienen.
Die titelgebende Freundin und Kasper selbst haben sich eigentlich vorgenommen, sich nicht mehr zu sehen. Nachdem sein Großvater jedoch gestorben ist, Kasper das Haus erbt und plötzlich ein violetter Herr vor seiner Tür steht, ändert sich alles. Außerdem taucht plötzlich der junge Mensch Joseph auf, mit dem Kaspers Freundin eine Affäre beginnt. Dieser hat eine Art Alarmsystem entwickelt, um das Böse aufzuspüren soll und das bald auf den violetten Herrn aufmerksam macht. Die Beziehung von Kasper und seiner Freundin wird durch all diese Umstände auf die Probe gestellt. Wichtiger scheint aber noch die Frage, wie sie selber, für sich allein ihr Leben gestalten wollen und wo alles hinführt. Fazit: Aufgrund der detailreichen Beschreibungen und Figurenzeichnungen, der etwas anderen Vampir-Geschichte sowie des filmisch anmutenden Stils ein lesenswertes Debüt.

Das Buch ist wie: die Netflix-Serie Penny Dreadful. Auch wenn die Handlung von „Kaspers Freundin“ in der Gegenwart und nicht im viktorianischen England spielt, ist die Stimmung eine sehr ähnliche, die Schauriges und Absurd-Komisches mixt. Das hat mir sehr gefallen.

Gemerkt: „Die Träume sind voll liebevoller Details, und sowieso Orgasmen jede Nacht, oder fast, denn Kaspers Freundin erwacht doch immer, ganz kurz bevor sie ganz herausbekommt, was da geschrieben steht. Wie das schmeckt, dieses Getränk, wie diese Droge funktioniert. Wie sich das anfühlt, der Tod, oder zumindest das Sterben.“

Ärger mit der Unsterblichkeit und Kaspers Freundin

nimmt mit in ihren Urlaub: Andreas Dorau/Sven Regener: Ärger mit der Unsterblichkeit. Verlag Galiani Berlin 2015. 192 Seiten. Gebunden. 16,99 €.

Warum? Weil es mir sehr von der lieben Judith empfohlen wurde und ich es mir perfekt als unterhaltsame und kurzweilige Lektüre im Urlaub vorstelle. Außerdem bin ich Sven Regener-Fan (lest auch meine Rezension zu Magical Mystery) und wenn sogar Daniel Kehlmann sagt „Lesen Sie das. Wirklich. Lesen Sie das!“ – dann bin ich überzeugt!

Wo? Es geht an die Ostsee! So passt sich das Buch auch farblich hoffentlich ganz gut in seine Umgebung (blaues Meer, blauer Himmel) ein. Unbedingt mit an den Strand nehmen: Kopfhörer, um zwischendurch – je nach Laune – Element of Crime oder „Fred vom Jupiter“ und andere NDW-Hits zu hören. Den Ohrwurm aus dem Buchteaser werde ich jetzt schon nicht mehr los…


Anna …
… hat gerade gelesen: Boris Pofalla: Low. WALDE+GRAF bei METROLIT 2015. 222 Seiten. Gebunden. 20,00 €.

Darum geht’s: Berliner Parallelwelten. Ein namenloser Protagonist wandelt durch die Hauptstadt auf der Suche nach seinem verschollenen Freund und Mitbewohner. Partys, Clubbesuche, Ausflüge zum See, durchwachte Nächte – und überall Drogen und Alkohol. Jeder kennt jeden so ein bisschen, aber irgendwie auch gar nicht. Alles scheint wahl- und ziellos. Und die Orte haben ihren bisherigen Zauber von Rausch und Regelentzug verloren. Nicht nur sein Mitbewohner ist verschwunden ohne sich zu verabschieden, sondern auch die Erfüllung, die der Protagonist bisher in dieser oberflächlichen Flucht vor sich selbst fand.
Wenn man „Low“ von der Bürde befreit, der Sound einer Generation zu sein, dann tut man damit nicht nur Boris Pofalla, sondern auch sich selbst als Leser/in mitteendezwanzig einen Gefallen. Denn dann lässt man sich eher auf Pofallas Debütroman ein und wird dafür mit einer Lektüre belohnt, die Einblicke in eine bestimmte Berliner Realität gewährt und obendrein ein paar nette Gedanken zum Nachsinnen bereithält.

Das Buch ist wie: Vom Grundgefühl erinnert es mich an den Film „Lost in the Living“ (2015, Robert Manson), der dieses Jahr auf dem „Achtung Berlin!“ Filmfestival lief. Durch Berlin mäandern, ein bisschen Entwurzelung, ein bisschen Drogen, ein bisschen Selbstsuche – und einige filmische/literarische Glücksmomente für den Zuschauer/Leser.

 

Außerdem,

Westbam feat. Richard Butler You Need The Drugs:
You need the drugs to make the stars come down / You need the drugs to make you shine / You need the pills to take you home again / Don’t be so ladida, so ladida

Gemerkt: „Es gibt keine richtigen Flüsse zu sehen und keine Hügel, die den Blick begrenzen, keine Berge und auch kein Meer, und vielleicht ist es ja diese große, stille schöne Leere um Berlin, die einem vorgaukelt, dass man dort, im Zentrum des Nichts, alles werden kann. Oder wenigstens ein Anderer.“

 bistdunochwachlow

… wird diesen Sommer noch lesen: Elisabeth Rank: Bist du noch wach? Berlin Verlag 2013. 253 Seiten. Gebunden. 17,99 €.

Warum? Ich verfolge seit einiger Zeit den Blog von der Berlinerin Elisabeth Rank (www.mevme.de) und habe mich schon vor einer Weile verliebt in die Genauigkeit und Poesie ihrer Sprache. Ihr Debüt „Und im Zweifel für dich selbst“ ist 2010 bei Suhrkamp erschienen. Doch inhaltlich spricht mich „Bist du noch wach?“, ihr zweiter Roman, mehr an: Es geht um den Stellenwert von Freundschaften im Leben um die dreißig, wenn alles stabil scheinende – Karriere, Liebe, Identität – insgeheim auf sehr wackeligen Beinen steht.

Wo? Am besten im Park oder am See, mit dem Kopf auf dem Bauch eines lieben Menschen. Oder an der offenen Balkontür, mit leichter Brise und kühlem Getränk – Beine hoch und einfangen lassen, mit der Stadt im Ohr.

Sophie Gottschall
Letzte Artikel von Sophie Gottschall (Alle anzeigen)

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen