Und was macht man damit? #13 Petra Kassler

Petra Kassler ist Mitarbeiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei Litprom. Die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e.V. gibt es schon seit 1980 und vermittelt Kontakte zwischen den Buchmärkten der genannten Länder und dem deutschsprachigen Raum. Petra Kassler ist verantwortlich für die Gestaltung der Website und den Newsletter. Zusätzlich betreut sie inhaltlich den Anderen Literaturklub und koordiniert Finanzen und Personal. Unsere Gastautorin Katerina hat Petra besucht und mit ihr über ihren Berufsalltag gesprochen. 

Petra Kessler

Am 22. und 23. Januar hat dieses Jahr zum fünften Mal in Folge euer internationales Literaturfestival „Literaturtage“, diesmal unter dem Motto „Neue Weltliteratur und der globale Süden“, stattgefunden. Wo siehst du die Herausforderungen in der Veranstaltung eines solchen Festivals? Und was hat dir in diesem Jahr besonders gut gefallen?

Genau, wir haben dieses Jahr unser fünftes Literaturtage-Jubiläum gefeiert und uns riesig gefreut, dass so ein doch weit vom Mainstream entferntes Festival dauerhaft ein ziemlich großes Publikum erreicht und rege mediale Aufmerksamkeit weckt. Die Herausforderung bei diesem Format liegt ja genau in unserem ureigenen Auftrag, Literaturen aus Regionen, die weniger bis kaum im Fokus des allgemeinen Interesses stehen, ins Rampenlicht zu rücken und den besonders im Moment so wichtigen kulturellen Dialog zu fördern, indem wir Autorinnen und Autoren aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt nach Frankfurt holen und sie mit deutschen Kolleginnen und Kollegen auf die Bühne bringen. In einer Mischung aus Diskussionspodien, Lesungen, Werkstattgesprächen und Lyrikperformances wollen wir Literatur vermitteln und für ein möglichst breites Publikum aufbereiten.

Wir finden, wir schaffen es, mit den Literaturtagen eine gewisse Lücke in einem doch ziemlich auf Eventisierung angelegten Literaturbetrieb zu füllen, und Frankfurt ist mit seiner Internationalität sicher ein fruchtbares Gelände dafür. 2012, ein Jahr nach der Revolution in Ägypten, haben wir beschlossen, die ersten Litprom-Literaturtage – natürlich über arabische Literatur – abzuhalten und mal zu gucken, wie das läuft. Wir hatten ja durchaus schon Erfahrung mit der Durchführung von Tagungen zu weitgehend unbekannten Literaturen und wollten jetzt ein Format fürs allgemeine Publikum austesten. Mit „Afrikanissimo – Afrikanische Literaturtage“ hatten wir ebensolchen Erfolg, wagten uns dann an Mittelamerika und ließen uns bestärken, im darauffolgenden Jahr unter dem Titel „Entdeckungsreise in die Vielfalt – eine literarische Kontaktaufnahme“ eine (literarisch) noch unbekanntere Region vorzustellen: Südostasien. Naja, und dann waren wir dieses Jahr mutig genug, mal keinen regionalen Schwerpunkt zu setzen … Uns reizte nämlich ein sehr zeitgemäßes und anspruchsvolles Konzept: die Neu-Erzählung von Weltliteratur in einer multipolaren Welt, die Verknüpfung geografisch weit entfernter, sich aber ästhetisch überschneidender Positionen im „Globalen Süden“. Die Literaturtage wollten diesmal Literatur in einer multipolaren Welt neu zu denken geben und eine Weltliteratur geprägt von Transiträumen, hybriden Kulturen und ästhetischer Diversität präsentieren, die sich nicht mehr automatisch in Anlehnung oder Abgrenzung an Europa ausrichtet. Es hat tatsächlich funktioniert.

Was hat dich eigentlich zu deiner Arbeit bei Litprom geführt?

Witzigerweise hörte ich in den 1990er Jahren im Ausland zum ersten Mal von dieser „Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus …“, damals hieß sie ja noch längst nicht Litprom. Ich studierte französische Literatur- und Sprachwissenschaften, Afrikanistik und Ethnologie und versuchte gerade, diese Bereiche möglichst unter einen Hut zu bekommen. Das ging am besten in Paris, wo ich mich auf frankophone Literatur mit Schwerpunkt Nordafrika spezialisieren und nebenbei Berbersprachen lernen konnte. Genau dort erzählte mir eine deutsche Kommilitonin, was es in Frankfurt am Main für eine Institution gäbe.   Später traf ich dann auf der Pariser Buchmesse den damaligen Geschäftsführer dieser Gesellschaft und nahm Kontakt zu Litprom auf – irgendwann habe ich ein Praktikum gemacht, bin dann freie Mitarbeiterin geworden und nun seit fast 10 Jahren fest angestellt.

Wie sieht dein Aufgabenbereich bei Litprom aus?

Ich bin bei Litprom die Online-Redaktion, die Finanzverwaltung und betreue den Literaturclub. Da wir aber ein kleines Team von 4-6 Personen sind, kann man sich natürlich nicht nur für seine „eigenen“ Projekte verantwortlich fühlen, sondern packt überall mit an, wo Bedarf ist. Grundsätzlich denkt jeder mit und bringt sich gemäß seinen Kenntnissen und Fähigkeiten auch in anderen Aufgabenbereichen ein. Nur so kann das alles funktionieren. Also lese ich z.B. natürlich auch die Zeitschrift Korrektur, schenke Wein bei unserem Weltempfänger-Salon aus, bespreche mal das ein oder andere Buch und überlege mir genauso ernsthaft ein Konzept für unsere Datenbanken wie ich mich bei der inhaltlichen und organisatorischen Planung der Literaturtage oder unserer Präsenz auf der Buchmesse einbringe.

Was gefällt dir besonders an deinem Beruf?

Genau das, was ich gerade beschrieben habe – man kann sich hier überall austoben und ausprobieren, zudem Ideen entwickeln und versuchen, sie auch umzusetzen. Man hat tagtäglich mit einem wunderbaren Produkt, den Büchern, zu tun und trifft die Menschen, die sie schreiben. Alles dreht sich um Literatur und darum, was Literatur bewirken kann. Man arbeitet daran, wichtigen Werken zu einer Leserschaft zu verhelfen. Das macht Spaß und ist schlichtweg sinnvoll.

Litprom ist als Verein, der von der Frankfurter Buchmesse und dem Evangelischen Entwicklungsdienst gefördert wird, in seiner Ausrichtung nicht gewinnorientiert. Würdest du sagen, das hat Einfluss auf eure Arbeitsweise oder – Atmosphäre?

Oh ja, auf jeden Fall! Litprom ist ein gemeinnütziger Verein. Unser Etat ist klein, das Team in logischer Folge ebenfalls. Wir können aber ziemlich frei von hierarchischen und bürokratischen Zwängen arbeiten, wenn wir uns mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der Buchmesse, von Börsenverein und MVB vergleichen, die den großen Strukturen hier im Haus des Buches angehören. Unsere Dienstwege sind dann doch kürzer, wir sind flexibler, und letztlich trägt hier jede/r Verantwortung. Wir werden auch ehrenamtlich von Mitgliedern unterstützt. Die Atmosphäre in unserer Vereinsstruktur finde ich persönlich entspannter, wenn man mal von der ständigen Suche nach Geldgebern und dem Zusammenhalten der Finanzen absieht …

Welche Voraussetzungen sollte man deiner Meinung nach mitbringen um in einer Institution wie Litprom zu arbeiten? Ist es zum Beispiel wichtig, mehrere Sprachen zusprechen oder sogar bereits eine Zeit lang in Afrika, Asien oder Lateinamerika gelebt zu haben?

Ach nein, das ist nebensächlich, würde ich sagen. Natürlich sollte man Englisch können, wie fast überall, und sicher ist es von Vorteil, noch eine weitere Sprache zu beherrschen. Viel wichtiger aber ist eine Begeisterung für und eine allgemeine Kenntnis von Literatur sowie Spaß am Lesen. Klar finden wir es immer toll, wenn Praktikant(inn)en kommen, die regionale Schwerpunkte haben, die wir gerade „gut gebrauchen“ können, so z.B. für die Themen der Literaturtage, den Ehrengast der Buchmesse oder für Aufträge, deutsche Verlage für Bücher aus bestimmten Gebieten der Welt zu suchen. Und natürlich sollte man offen und neugierig sein, politisch interessiert – diese Qualitäten muss man sich ja nicht notwendigerweise durch längere Auslandsaufenthalte angeeignet haben. Was man für eine Mitarbeit in Institutionen wie Litprom aber ganz sicher braucht, ist neben Flexibilität und Einsatzbereitschaft eine große Portion Engagement für die Sache, Überzeugung von dem, was man tut. Man sollte sich schon irgendwie mit der Institution identifizieren können.

Beschäftigst du dich auch in deiner Freizeit mit arbeitsbezogenen Tätigkeiten?

Meine Arbeit ragt automatisch recht weit in meine Freizeit hinein – man liest Bücher ja meistens zuhause oder nimmt sie mit ins Café, in den Garten, in den Urlaub, liest sie Kindern vor usw.. Außerdem unterhält man sich auch außerhalb der Bürowände gerne informell über aktuelle Lieblingsbücher und alle möglichen kulturellen und politischen Themen und bekommt dadurch Anregungen und Impulse; man trifft auch in anderen Zusammenhängen irgendwelche Leute, die sich für unsere oder ähnliche Aktivitäten interessieren und auch mal was kritisch sehen; man besucht einschlägige Veranstaltungen oder hat einfach mal Zeit zum Nachdenken und Planen. Literatur und ihre Förderung ist kein Job, aus dem man immer um 17h ausstechen kann, schon gar nicht, wenn das Team klein ist und sehr viel „wuppen“ muss – das muss man mögen.

Litprom geht es ja einerseits um die Förderung von Literatur und andererseits auch um kulturellen Austausch; in Hinblick auf den LiBeraturpreis sogar noch zusätzlich um die Förderung schreibender Frauen aus anderen Kulturen. Inwiefern wirkt sich diese Intersektionalität und mehrfache Ausrichtung auf die Auswahl der Literatur aus, die es zu fördern gilt? Um ein Beispiel zu nennen: würde ein vietnamesischer Autor, der über Kanada schreibt, bei euch weniger Beachtung finden als eine somalische Autorin, die in ihrem Roman das Leben in ihrem Land beschreibt?

Nein, überhaupt nicht. Ich muss wirklich sagen, dass wir bestrebt sind, alles, wirklich alles zu berücksichtigen und mit unseren vielen unterschiedlichen Projekten zu fördern. Frauen sind in der Literaturwelt des „Globalen Südens“ (und auch noch hier bei uns) allerdings total unterrepräsentiert, deshalb sind wir auch so überzeugt von der Vergabe des LiBeraturpreises ausschließlich an Frauen. Immerhin verschafft der Preis den Autorinnen, durchaus auch Newcomern, eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit. Und Frauen haben es überall noch immer schwer, für Literaturpreise nominiert zu werden. Bei der Auswahl der Bücher für den Anderen Literaturclub sind wir außerdem bedacht, auch immer Titel von Frauen dabei zu haben, damit die Mischung nicht nur regional, sondern auch gendermäßig stimmt. Der literarische Anspruch steht schon ganz vorn. Ja, und tatsächlich wird es immer schwieriger, die Autoren regional und letztlich auch thematisch zu „verorten“, was sich bei den Literaturtagen gezeigt hat. Es ist keine Seltenheit mehr, dass sie auf einem Kontinent geboren, auf einem anderen aufgewachsen sind und heute in Europa oder sonst wo leben und z.B. über eine Gesellschaft schreiben, der sie selbst nicht angehören. Insofern würde der vietnamesische Autor, der über Kanada schreibt, bei uns genauso viel Beachtung finden wie die somalische Kollegin mit somalischem Thema – die Bücher müssen einfach „gut“ sein.

Welchem Buchtitel sprichst du aktuell gute Chancen zu, es auf der anstehenden Weltempfänger Bestenliste bis ganz nach oben zu schaffen?

Die nächste Liste erscheint am 1. Juni, es ist also noch ein bisschen hin. Ich lese gerade Etgar Keret aus Israel, „Die sieben guten Jahre – Mein Leben als Vater und Sohn“ (S. Fischer), übrigens aus dem Englischen von Daniel Kehlmann übersetzt. Ich finde es nicht so witzig, wie es überall heißt, aber die autobiografischen Episoden – die mich an Wladimir Kaminer erinnern, den ich mag – zu den unterschiedlichsten, zumeist recht alltäglichen Themen vor dem ganz besonderen, angespannten israelischen Hintergrund, lassen sich gut lesen und sind vor allem wegen ihrer Unaufgeregtheit so reizvoll. Israel einmal ziemlich anders. Der Band könnte es auf die Liste schaffen. Als nächstes möchte ich dann den „Fall Meursault – eine Gegendarstellung“ (Kiepenheuer & Witsch) des Algeriers Kamel Daoud lesen, ein Roman, der in Frankreich ein Bestseller ist und bereits international gefeiert wird. Er erzählt die Geschichte des namenlosen Arabers, der in Albert Camus‘ „Der Fremde“ voneinem Franzosen erschossen wird. Der Autor ist ja durch seine journalistischen Äußerungen zur Kölner Silvesternacht schon bekannt geworden.

Zum Schluss noch eine zukunftsweisende Frage: welchen Projekten schaut das Litprom- Team in nächster Zeit entgegen?

Jetzt in Kürze erst mal dem besagten LiBeraturpreis. Das Voting ist in diesem Jahr zum ersten Mal öffentlich (und über unsere Homepage zugänglich); es können sich alle Literaturfans beteiligen. Es endet am 31. Mai, dann steht fest, welche Autorin im Oktober auf der Buchmesse den Preis bekommt. Wir sind auch dieses Jahr wieder am LiteraTurm-Festival der Stadt Frankfurt mit zwei Veranstaltungen beteiligt; wir planen einen Relaunch unserer Website und möchten sie gern noch erweitern, und wir stecken natürlich auch schon gedanklich in Projekten – alte und neue – für die Buchmesse im Oktober.

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