Im Gespräch mit Bettina Wilpert

Zugegeben: Wir sind nicht die Schnellsten, was die Berichterstattung vom 23. open mike angeht. Während andere Blogger sich live die Finger wund tippen, lassen wir die vielen Eindrücke erst einmal auf uns einwirken. Da sich unsere persönlichen Favoriten aber ohnehin nicht unter den Gewinnern befinden, wollen wir euch eine „unserer“ Gewinnerinnen an dieser Stelle im Interview vorstellen. Bühne frei für Bettina Wilpert!

Bettina Wilpert Foto © : gezett (www.gezett.de)
Bettina Wilpert Foto © : Gerald Zörner, gezett (www.gezett.de)

In Christiane Schmidts Anmoderation zu deinem Text haben wir bereits zwei Dinge über dich erfahren: Du bist im Jahr des Mauerfalls geboren und studierst Literarisches Schreiben in Leipzig.

Ich habe vor zwei Jahren mit meinem Master begonnen, der vor allem auf Prosa ausgerichtet ist. Davor habe ich Kulturwissenschaften und Anglistik studiert.

Hast du vor der Teilnahme beim open mike schon bei anderen Veranstaltungen gelesen?

Der open mike ist meine nun vierte Lesung. Vorher habe ich z.B. bei der Hausdurchsuchung, der Lesereihe vom Literaturinstitut in Leipzig, gelesen. Und vor zwei Wochen hatte ich innerhalb von einer Woche gleich zwei Lesungen. Das war stressig, aber ich bin froh, dass ich die Lese-Situation vor dem open mike schon einmal durchspielen konnte. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich noch viel aufgeregter gewesen.

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich für den open mike zu bewerben?

An unserem Literaturinstitut wird man schnell auf die verschiedenen Literaturwettbewerbe aufmerksam. Alle bewerben sich ständig hier und dort und jetzt wollte ich es auch einmal versuchen. Das heißt – ich habe mich letztes Jahr auch schon einmal beim open mike beworben, aber da war mir relativ klar, dass mein Text eigentlich nicht gut genug war. Vor kurzem wollte ich dann an einem neuen Text arbeiten und weil ich am besten über Deadlines funktioniere, habe ich mir den open mike zum Anlass dafür genommen.

Du hast deinen Text also extra für den open mike geschrieben?

Ja, so kann man das sagen. Ich hätte den Text auch ohne den Wettbewerb geschrieben, aber durch seine kurze, in sich geschlossene Form ist Alex, Selfie ein Text, der sich besonders gut für das Format des open mike eignet.

Foto: © gezett (www.gezett.de)
Foto © : Gerald Zörner, gezett (www.gezett.de)

Denkst du, dass sich die Teilnahme auf deine (literarische) Zukunft auswirken wird?

Ja, das glaube ich schon. Ich war die letzten drei Jahre als Besucherin beim open mike und habe gesehen, welche (heute) erfolgreichen Autorinnen und Autoren dort schon gelesen haben. Jetzt selber mitzumachen, ist eine echt tolle Erfahrung – schon allein wegen der anderen Autorinnen und Autoren, die man hier kennenlernt und mit denen man sich austauschen kann. Im Februar haben wir dann auch noch einen gemeinsamen Workshop.

Wird bei dem Workshop weiter an den Texten gearbeitet, die ihr hier auf der Bühne lest?

Ja, wir besprechen unsere Texte dort noch einmal in Einzelgesprächen mit den Lektorinnen und Lektoren und können an unseren Texten weiterarbeiten, vielleicht aber auch neue Projekte starten.

Dann lass uns doch mal über deinen Text sprechen. Geschildert wird die Geschichte aus der Perspektive der Erzählerin Alex. So wie ich das sehe, steht aber eine andere Person im Vordergrund. Fast jeder zweite Absatz beginnt mit dem Namen Aslanbek. Wer ist das?

Aslanbek ist 25 Jahre alt. Er kommt aus Grosny und arbeitet in einer NGO. Alex und Lorenz treffen Aslanbek in Murmansk. Er hat zuvor aber auch Reisen nach Deutschland gemacht. Er war in Bremen und hat seinen Onkel in Berlin besucht. Was mich an der Figur Aslanbek so interessiert, ist die Frage, wie man mit jemandem umgeht, der eine traumatische Erfahrung gemacht hat und mit der man deshalb Mitleid hat. Man kann diese Person sympathisch finden und sich für die selben Dinge wie z.B. Literatur interessieren, aber gleichzeitig besitzt die Person auch Werte, die man nicht teilt. Dieses Verhältnis finde ich sehr spannend.

Aslanbek nennt mich: Junges Mädchen, schöne Frau. Er schätzt, dass ich 18 bin. Ich finde, er sieht aus wie 40. Vielleicht sind wir beide 25.

Wie auch der Titel (Alex, Selfie) verrät, wird die Geschichte von Alex, Lorenz und Aslanbek mithilfe eines  Smartphones dokumentiert.

Instagram spielt in meiner Geschichte eine wichtige Rolle. Ich habe mir im Vorfeld die Frage gestellt, wie man Internetphänomene auf die Literatur übertragen könnte. Die Kommunikation über Instagram-Posts finde ich in diesem – auch politischen – Zusammenhang besonders interessant.

Digitales findet sich auch in der Sprache deines Textes wieder. Welche literarische Funktion haben die Hashtags für dich?

Aus meiner Sicht funktionieren Hashtags in der Literatur dadurch, dass sie kurz und prägnant Dinge in einem Wort zusammenfassen, die ich vorher nicht aussprechen muss.

Besitzt das Hashtag deiner Meinung denn – abgesehen von seiner inhaltlichen Funktion – auch eine sprachliche Ästhetik? Oder zielst du damit auf eine ironische Wirkung ab?

Ich fand die Hashtags in meinem Text gar nicht so ironisch. Tatsächlich finde ich sie ästhetisch ganz schön, weil lautlich ein guter Effekt entsteht, wenn ich z.B. #bremen sage. Das macht den Text markant.

Aslanbek zeigt mir seine Fotos auf Instagram. Aslanbek und Esel, Hund, Katze, Hahn; eine Statue. Der Esel trägt das ganze Gewicht. Aslanbek berührt die Vorderbeine des Esels mit beiden Händen. Das soll Glück bringen. #bremen #fortune

Es gab beim open mike in diesem Jahr noch einen weiteren Text, in dem Hashtags eine Rolle spielen. Vergleichst du dich mit deinen Konkurrentinnen und Konkurrenten, wie in dem Fall mit Eckhardt G. Waldstein?

Ich kann wirklich schlecht einschätzen, wer von uns die besten Chancen auf den Gewinn hat. Es gibt drei Leute, die ich echt gut fand. Bei anderen würde es mich eher überraschen, wenn sie gewinnen. Was den Text von Eckhardt angeht, finde ich, dass wir sprachlich doch sehr unterschiedliche Sachen gemacht haben, auch wenn wir beide Hashtags verwenden und unsere Texte beide eine politische Ausrichtung haben. Verbundener fühle ich mich denjenigen, die die selbe Lektorin (Christina Schmidt) wie ich hatten – man fühlt sich dann wie eine Art Team.

Vielen Dank für das nette Gespräch, Bettina.

Und hier gibt es unsere Eindrücke vom 23. open mike noch einmal zum Nachlesen und Nachhören!

Marie Krutmann
Letzte Artikel von Marie Krutmann (Alle anzeigen)

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen