Wir Obstkorbkinder – Leif Randts „Schimmernder Dunst über Coby County“

Ein Abgesang auf die Welt der abgeklärten Kreativwirtschaft? Ein Hohelied auf Lässigkeit und Unbekümmertheit? Dieses schmale Büchlein kann den Leser über die Kürze seiner Dauer aufs Äußerste auf die Folter spannen. Und frustrieren.

© Miriam Wienhold

Leif Randt erklärte einmal in einem Interview mit Zeit online, in den jungen, akademischen Milieus herrsche eine „Grundabgeklärtheit“. Diese spiegelt sich auch in seinem Roman Schimmernder Dunst über Coby County. Ein stets sonnenbeschienener Küstenort, das ganze Jahr über herrscht Sommerwetter, von praktisch überall sieht man das Meer. Der perfekte Ort also. Der Frühling in CC ist legendär und lockt jährlich Scharen an Touristen, junge und attraktive Skandinavier, Franzosen, Briten, ein paar Deutsche.  Die Einwohner scheinen allesamt erfolgreich, gutaussehend und wohlhabend. Und eben – abgeklärt. So wie Wim, Literaturagent und stolzer Ur-Cobyaner . Ein „Obstkorbkind“. Seine Mutter bekam, wie alle werdenden Mütter in CC zwischen 84 und 86, einen Obstkorb zur Geburt geschenkt. Symbol für ein gesundes, fruchtbares  und erfolgreiches Leben des Neugeborenen.

Wim wächst in einer Wohlstandsblase auf, ohne Probleme, mit immer schönem Wetter und attraktiven Freunden. Die Welt „da draußen“ existiert nur in semi-anspruchsvollen Kinofilmen oder dringt mit den jährlichen Touristenwellen in die Stadt. Doch Wim scheint etwas Maßgebliches zu fehlen: Emotionen. Trotz permanenter Hyper-Selbstreflexion ist Wim nicht zu tiefen Gefühlen fähig. Die Trennung von seiner Freundin nimmt er nüchtern zur Kenntnis. „Im Grunde kann ich mich nicht beklagen. Wir hatten eine wirklich gute Zeit, und nicht alle Menschen erleben eine Trennung auf diesem Niveau.“ Das Niveau ist eine Kurznachricht. Zwar gerät Wims wohlgetaktetes  Leben kurz  aus dem Rhythmus, doch niemals ernstlich. So wie jede vermeintliche Bedrohung in CC niemals Ernst ist und Wim selbst auch niemals Ernst macht: Sein halbherziger Versuch, die Blase zu verlassen, ist schnell abgebrochen und auch ein drohendes Unwetter zieht vorüber und lässt die Blase unbeschädigt. Pragmatisch ersetzt Wim Carla I durch Carla II. Anzeichen von Trauer und Verunsicherung werden gekonnt verdrängt, denn Emotionen, so scheint es, sind schmutzig, lästig und peinlich. So wie auch sein erfolgloser, bemüht jugendlicher Vater Wim unangenehm ist.

Man kann Schimmernder Dunst über Coby County als Abgesang auf eine Kreativgesellschaft lesen, die nur um sich selbst und ihre Annehmlichkeiten kreist. Scheinbar makellos, ohne starke Emotionen, und auch schlicht zutiefst langweilig. Wims kurze Ausflüge in den „Underground“  Coby Counties sind nur temporärer Natur. Auch diffuse Bedrohungen wie das Unwetter können dieser resistent heilen Welt offenbar nichts anhaben. Der Leser wartet ungeduldig, dass Wim endlich mit seinem Schiff in die Kulissen des immerblauen Himmels fahren möge, „Die Wim Show“ statt der „Truman Show“.  Doch es ist keine Illusion, sondern eine Welt, in der die Bewohner mit dem angenehmen Gefühl des Gruselns zurück bleiben, dass die „Katastrophe“ diesen „schimmernden“ Ort mal wieder verschont hat.

Angeblich hat dieses Buch schon seinen festen Platz im vermeintlichen „Hipster“-Kanon eingenommen, liegt in den einschlägigen Buchhandlugen neben Jack Kerouac und Mark Greif, „wird oft zusammen gekauft“ bei Amazon . Natürlich bietet Randt viele Bezugspunkte zum Klischee des ach-so-hippen Berlin: Niemand scheint zu arbeiten und wenn, dann zu sehr gemäßigten Arbeitszeiten. Alle sind in der Kreativbranche tätig, jung, attraktiv, auf der Sonnenseite des Lebens. Und was die Abgeklärtheit betrifft, hat man den Eindruck, dass der Autor da aus eigener Erfahrung spricht. Der Hildesheim-Absolvent  las am 3. Dezember im LCB vor dem Freundeskreis  der  Angewandten Literaturwissenschaft der FU Berlin und legte bisweilen eine ähnliche Nonchalance an den Tag. Ob er selbst gerne in CC leben wolle, wusste der Autor nicht eindeutig zu beantworten. Dies schwanke doch immer sehr von Lesung zu Lesung.

Randts Buch weckt beim Lesen den Impuls, laut zu rufen: „Raus aus Coby County!“ Es drängt einen diese Uto-Dystopie aufzurütteln, Wim durch zu schütteln, damit er endlich etwas fühlt. Das Buch lässt den Leser in einem unbefriedigten Gefühl der Frustration zurück. So ist das also.

„Willkommen am schimmernden Ende unserer Welt.“

 

Leif Randt
Schimmernder Dunst über Coby County
Berlin Verlag | 2011

 

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