Und was macht man damit? #14 Martina Wunderer

Als neue Kandidatin der Reihe „Und was macht man damit?“ darf Litaffin diesmal Martina Wunderer begrüßen. Sie arbeitet als Lektorin für deutschsprachige Literatur im Suhrkamp Verlag und erzählt uns von ihrem Studium, was das Besondere an ihrer Arbeit ist und was sie außerhalb des Literaturbetriebs so treibt.

Was wolltest du als Kind mal werden?

Was wohl viele kleine Mädchen so werden wollen. Lehrerin, als ich in die Schule kam, Friseurin, als ich mich für Frisuren zu interessieren begann, und Leistungssportlerin, als ich Volleyball spielte und Leichtathletik trainierte. Das ging dann aber schnell wieder vorbei, und dann ließ ich die Zukunft erst mal einfach auf mich zukommen.

Was genau hast du studiert und warum hast du dich dafür entschieden?

Ich habe Vergleichende Literaturwissenschaft und im Nebenfach Kulturwissenschaft in Wien und an der FU Berlin studiert. Wie ich darauf gekommen bin, ist eigentlich eine ganz schöne Geschichte. Ich war an einem naturwissenschaftlichen Gymnasium mit den Schwerpunkten Mathematik, Chemie, Biologie und Physik. Und Physik habe ich einfach nicht verstanden, auch wenn ich die anderen Fächer sehr gerne mochte und immer dachte, ich würde Biochemie oder etwas Ähnliches studieren. Kurz vor dem Abi kam dann der Physik-Lehrer zu mir und meinte, es gäbe da diesen Studiengang Vergleichende Literaturwissenschaft und er könne sich vorstellen, dass das etwas für mich sei. Vielleicht wollte er mich auch nur davon abbringen, ausgerechnet in dem Fach weiterzumachen, in dem ich am schlechtesten war. Ich habe mir also das Vorlesungsverzeichnis des Instituts für Vergleichende Literaturwissenschaft an der Uni Wien angeschaut, und mir war sofort klar: Das will ich machen.

Hast du während deiner Schulzeit auch viel gelesen?

Immer schon. Seit ich lesen konnte. Ich erinnere mich, dass wir zu Beginn der zweiten Klasse aufschreiben sollten, welche Bücher wir in den Sommerferien gelesen hatten. Die meisten hatten so zwei, drei Kinderbücher auf ihrer Liste, bei mir waren es über sechzig. Ich kann mich noch daran erinnern, dass meine Eltern halb wahnsinnig wurden, weil ich nachts immer heimlich gelesen habe und vom Mittagstisch aufgestanden bin mit der Ausrede, ich müsse auf die Toilette, damit ich mich einschließen und weiterlesen konnte.

© privat
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Wo hast du während des Studiums Berufserfahrungen gesammelt?

Während der Semesterferien habe ich ein Praktikum im Literaturhaus Wien gemacht. Das Literaturhaus im 7. Bezirk ist einerseits ein Veranstaltungsort, zugleich aber auch eine Dokumentationsstelle für österreichische Literatur mit einem Archiv, einer Präsenzbibliothek und einem eigenen Online-Magazin. Ich konnte dort in alle Bereiche reinschnuppern und im Anschluss weiterhin Rezensionen über literarische Neuerscheinungen für das Magazin schreiben. So behielt ich einen guten Überblick über die aktuelle österreichische Literaturlandschaft.

Ein zweites Praktikum habe ich in der Mittelpunktsbibliothek in meinem Südtiroler Heimatort Schlanders gemacht. Dort habe ich den normalen Bibliotheksbetrieb kennengelernt, aber auch über Neuanschaffungen mitbestimmen können und die Veranstaltungen, die einmal wöchentlich stattfanden, begleitet. Einen weiteren Sommer lang habe ich das Archiv der Bibliothek betreut und ein Bildarchiv über die Geschichte der Dorfgemeinde angelegt. Das hatte zwar weniger mit Literatur zu tun, war aber sehr spannend, und ich habe viel über Recherche und Datenerhebung und die Pflege von Datenbanken wie z.B. Verschlagwortung gelernt.

Wo arbeitest du jetzt und was genau sind deine Aufgabenbereiche?

Ich arbeite als Lektorin für deutschsprachige Literatur im Suhrkamp Verlag unter der Programmleitung von Doris Plöschberger. Mein Aufgabenbereich teilt sich in Akquise und Manuskriptarbeit bzw. Autorenbetreuung auf. Einerseits sind wir ständig auf der Suche nach neuen Talenten und tollen Texten. Auf der anderen Seite steht die Betreuung angenommener Manuskripte bis hin zum Erscheinen des Buches. Das beinhaltet die intensive Arbeit am Text in enger Zusammenarbeit mit der Autorin oder dem Autor sowie den ständigen Austausch über den jeweiligen Titel mit den unterschiedlichen Abteilungen im Haus. Das Suhrkamp Hauptprogramm umfasst dabei literarische Debüts, Neuerscheinungen von sogenannten Hausautoren, die seit vielen Jahren ihre Werke bei Suhrkamp veröffentlichen, aber auch Texte aus dem Nachlass, etwa von Christa Wolf, Ingeborg Bachmann oder Max Frisch. Die Arbeit ist deshalb sehr vielseitig und macht mir große Freude.

Wie sieht dein Arbeitsplatz aus?

Mein Arbeitsplatz ist ein kleines, helles Einzelbüro, vollgestopft mit Büchern und Papierstapeln, im ehemaligen Finanzamt im Prenzlauer Berg. Das Büro liegt im vierten Stock mit einem großen Fenster zum Innenhof. Rechts und links und gegenüber befinden sind die Büros der anderen LektorInnen. Ich mag meinen Arbeitsplatz sehr gerne: Wenn ich Ruhe brauche für die konzentrierte Arbeit am Text oder für ein vertrauliches Gespräch mit einem Autor oder einer Autorin, mach ich die Tür zu. Trotzdem habe ich die enge Anbindung zu den KollegInnen im Haus, man begegnet sich am Drucker oder in der Kaffeeküche und geht zusammen Mittagessen.

Was inspiriert dich an deiner Arbeit und was gefällt dir besonders gut daran?

Mich inspiriert es, immer wieder neue Sätze, neue Texte, neue AutorInnen zu entdecken, die mich begeistern. Die etwas in mir auslösen. Die Arbeit mit der Sprache. Die Möglichkeit, Literatur zu machen, an die man glaubt. Das Schöne an Suhrkamp ist, dass das ganze Haus daran arbeitet, dass das weiterhin möglich ist. Die große Begeisterung für Literatur, für Bücher, für AutorInnen merkt man überall, in allen Abteilungen.

Welches Buch liest du gerade abseits deines Arbeitsalltages?

Ich lese die Süddeutsche Zeitung. Und auf meinem Nachttisch liegen gerade Tomas Espedals „Wider die Kunst“ und der Debütroman von Kate Tempest, „The Bricks that Built the Houses“.

Hast du noch einen anderen, aktuellen (Berliner) Kulturtipp?

Oh ja, ich will unbedingt Maren Ades neuen Film „Toni Erdmann“ sehen und Julian Rosefeldts „Manifesto“ im Hamburger Bahnhof. Zum Glück wurde die Ausstellung gerade bis September verlängert.

Neben deinem Job bei Suhrkamp bloggst du auch für das Logbuch Suhrkamp. Wie kam es dazu und was reizt dich am Bloggen?

Meine Aufgabe beim Logbuch ist es weniger, selbst zu bloggen, das habe ich nur ausnahmsweise gemacht, als ich auf den Buchmessen in Wien und Leipzig unterwegs war, als vielmehr die redaktionelle Betreuung der Beiträge. Die Idee zu einem Blog für deutschsprachige Literatur heute kam von Doris Plöschberger. Sie hat im Sommer 2013 ein kleines Redaktionsteam aus sechs Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen um sich versammelt, und wir waren gleich begeistert von der Idee. Mir gefällt am Online-Format besonders, dass wir dadurch die Möglichkeit haben, auch das, was jenseits des Buches passiert, darzustellen. Dass AutorInnen im Logbuch Beiträge veröffentlichen können, die nicht zwischen zwei Buchdeckel passen: Texte, Musik, Fotos, Videos. Dass man dadurch auch einen multimedialen Einblick in ihre Werkstatt, in ihre Recherchen, in ihre Interessen bekommt. Und dass wir schneller auf aktuelle Themen reagieren können, als es bei der langsamen Arbeit an einem Buch möglich wäre, dass wir im Blog einen Blick auch hinter die Kulissen werfen und Kooperationen wie etwa zuletzt mit S. Fischer  Hundertvierzehn realisieren können.

Wenn du noch mal studieren könntest, würdest du dich für den gleichen Studiengang entscheiden? Wenn nein, was würdest du stattdessen wählen?

Ich würde wieder genau das Gleiche machen.

Danke, Martina!

Ann-Kathrin Canjé
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