,,We are drifting out to sea!“ – James Sallis zu Gast auf dem Literaturschiff der lit.COLOGNE

Zum dreizehnten Mal fand dieses Jahr die lit.COLOGNE statt. Das erste Mal mit dabei war der amerikanische Krimi-Autor James Sallis. Dass gerade seine Lesung sich auf einem Schiff ereignete, war kein Zufall.

© Irina Bester

Es wäre etwas umständlich gewesen, die Zuschauer an diesem Mittwochabend des 13.03. allesamt in Autos unterzubringen und durch die Straßen zu fahren, während eine Live-Lesung in die einzelnen Fahrzeuge übertragen worden wäre. Doch gepasst hätte es für die Lesung von Driven, dem Fortsetzungsroman von Drive, der einen Bekanntheitsschub durch die Verfilmung von Nicolas Winding Refn mit Ryan Gosling in der Hauptrolle erhalten hat. Ersatzweise wurde ein anderes Gefährt gefunden: Schauplatz war ein Schiff, auf dem das Publikum zusammen mit Sallis’ Driver den Rhein entlang fuhr.

Leinen Los! 

Zahlreiche, fein säuberlich aufgestellte Stuhlreihen füllten den Raum und waren auf eine große, erhöhte Bühne ausgerichtet. Die Journalistin und Autorin Margarete von Schwarzkopf moderierte den Abend und übersetzte vom Englischen ins Deutsche und für James Sallis vom Deutschen ins Englische. Für den Vortrag der deutschen Übersetzung, die beim Liebeskind Verlag erschienen ist, konnte der Schauspieler Christian Berkel gewonnen werden.

Die Lesung begann um 21.00 Uhr mit der Begrüßung der Anwesenden und dem Versprechen, sicher an Land zurückzukehren. Um 21.15 Uhr legte das Schiff dann fast unbemerkt ab. Kaum spürbar und lautlos, wie der Driver selbst, der im Buch mit einem Auto durch die Nacht fährt, bahnte es sich seinen Weg durch das dunkle Wasser, einzig von einem leisen Surren begleitet. James Sallis’ monotone, aber sehr angenehme Lesestimme passte sich dem an und versetzte den Zuhörer in die stimmungsvoll beschriebene, zwischen Traum und Wirklichkeit changierende Romanwelt.

Von der Musik zur Literatur 

Bevor Sallis angefangen hat zu schreiben, wollte er Komponist werden, merkte jedoch schnell, dass er damit finanziell nicht über die Runden kam. Seiner Leidenschaft für Musik geht er heute noch nach und spielt mit seiner Band Blues, Jazz und Swing. Rhythmus ist ihm auch bei seinen Texten wichtig. Während Christian Berkel aus der deutschen Übersetzung mit dem Titel Driver 2 lasdem das Wortspiel des Originaltitels Driven leider abhanden gekommen ist, lächelte Sallis unentwegt. Er genoss offensichtlich den Rhythmus der fremden Sprache.

Zusammen mit dem Schriftsteller Michael Moorcock brachte Sallis in den Sechzigern die Science-Fiction-Zeitschrift ,,New Worlds“ heraus. Zum Krimi-Genre haben ihn schließlich die Bücher von Raymond Chandler geführt, die er nächtelang verschlungen hat. Doch der Science-Fiction-Einfluss ist in seinen Kriminalromanen spürbar, denn seine Protagonisten wirken stets, als stammen sie aus einer anderen Welt. Sie sind, wie Margarete von Schwarzkopf es treffend formulierte, ,,Aliens“ in der bürgerlichen Gesellschaft. Dies zeigt sich insbesondere an dem namenlosen Driver, Sallis’ wohl komplexester Figur: ein Einzelgänger, der tagsüber als Stuntfahrer arbeitet und in der Nacht Fluchtwagen für Kriminelle fährt.

Eigentlich sollte es keine Fortsetzung von Drive geben, aber Sallis konnte nicht loslassen, wollte noch mehr über den Charakter seiner Figur herausfinden, andere Seiten von ihr entdecken. Er wollte zeigen, dass der Driver keineswegs ein Psychopath und der Stoff nicht bloß düster und trist ist, wie man es ihm nachgesagt hat.

,,Art is play

James Sallis lehrt ,,Kreatives Schreiben“ in Phoenix. Ein Lehrender aus einem anderen Fachbereich fragte ihn einmal, was er denn unterrichte, da aus dem Raum so viel Lachen ertönen würde. Diese Anekdote, so merkte man deutlich, erzählt er seinen Zuhörern immer wieder gern. Den Humor, sagte er, müsse man sich bewahren, denn ,,Art is play“. Auch wenn seine Stoffe ernsthaft seien, heiße das nicht, dass er an ihnen und ihrer Entwicklung keinen Spaß habe. In Driven und auch im Vorgängerroman Drive fänden sich durchaus auch komische Passagen, besonders in den Dialogen. Und der Film? Blicken Autoren nicht immer auch skeptisch auf die Verfilmung ihrer Romane? James Sallis zögerte nicht lange auf die Frage von Margarete von Schwarzkopf. Er liebt den Film: ,,Most writers don’t have the chance to have such a great film made from their book.“

© Irina Bester

Kein großes Bohei 

Um 22.15 Uhr legte das Schiff dann wieder an, die Lesung dauerte noch weitere dreißig Minuten. Der Ablauf war insgesamt recht klassisch und unaufgeregt. Sallis und Berkel lasen im Wechsel auf Englisch und Deutsch, wobei die vorgetragenen Passagen des Autors im Vergleich zu denen des Schauspielers etwas kurz geraten sind, womöglich, um auch Christian Berkel ausreichend zu Wort kommen zu lassen. Margarete von Schwarzkopf stellte zwischen den Lesungen ihre Fragen. Ein Versuch, die Veranstaltung dynamischer zu gestalten, wurde unternommen, indem die Übersetzerin auf die Bühne geholt wurde. Doch Abwechslung hatte dieser Abend gar nicht nötig. Es kamen interessante Gespräche mit einem sehr symphatischen Autor zustande, und der sich bewegende, auf den Text abgestimmte Schauplatz verlieh der Lesung an sich bereits eine besondere Atmosphäre. Und nächstes Mal, so versprach Sallis, bringt er seine Band ,,The three-legged dog“ mit. Der Blues würde einen dann nicht nur durch die atmosphärische Dichte seiner Bücher überkommen.

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