EBF 14: Wie macht man aus Piraten wieder Konsumenten?

Piraterie ist im Bereich Digital Reading schon lange aktuell. Zwar strich TorBoox (Schrecken aller Verlage und größte Ebook-Flatrate) Ende 2013 die Segel, doch es gibt diverse Alternativen. „Piraterie. Zwischen hoher Kunst und Gratiswaffe“, eine Diskussion auf der Electric Book Fair mit Lars Sobiraj (Moderator), Luc Gross & Bernhard Bauch (TRAUMAWIEN) und Sascha Lazimbat (Digital Media Consultant).

Piraterie durch legale Angebote stoppen?

Sascha Lazimbat und Lars Sobiraj
Sascha Lazimbat und Lars Sobiraj

Klassische Verlage haben enorme Probleme auf den Zug des Digital Readings aufzusteigen. Mit Ebooks verdienen sie kein Geld. Klar, dass ihr Interesse primär beim Printprodukt liegt. Und welche Rolle spielen die Konsumenten? Der Hauptaspekt von Piraterie ist neben illegalen Download-Plattformen auch die fehlende Zahlungsbereitschaft der Konsumenten. Kostenloser Content stößt ja bekanntlich immer auf Interesse. Große Verlierer dabei: Autoren und Verlage.

Sascha Lazimbat will Modelle finden, bei denen Bücher umsonst angeboten, die Urheberrechte jedoch nicht verletzt werden. Das bedeutet: Da der Leser nicht zahlt, muss ein Sponsor für den Autor her.

Neben rechtefreien Titeln von verstorbenen Autoren nennt Sascha Lazimbat die Self-Publishing-Szene (wie Wattpad) als Modell. „Lasse die Leute kostenlos mitlesen, um den Support in Rat und Tat zu bekommen.“ Autoren bekommen also Feedback von anderen Autoren und laden Kapitel für Kapitel ins Netz. Aber dabei bleibt es natürlich nicht. Self-Publisher veröffentlichen oft Reihen mit demselben Protagonisten. Die erste Folge ist kostenlos und hoffentlich beißt der Kunde danach an. Ein Prinzip, das auch Verlage wie Bastei Lübbe in Form von erweiterten Leseproben nutzen.

Auch bei der Onleihe zahlt nicht der Leser, sondern die Bibliothek als Einkäufer. „Die Rechtedatei hat einen Zeitstempel, der abläuft.“ Das erinnert sehr an das Leihprinzip von Print-Büchern. Wenn das Buch verliehen ist, muss der Nutzer warten, obwohl die Bibliothek ja über die Datei verfügt, die an mehrere Leser gleichzeitig verliehen werden könnte.

Der „ehrliche“ Leser

„Wie bekommen wir die Konsumenten überhaupt dazu, für Ebooks zu bezahlen?“, fragt Lars Sobiraj. Daraufhin Luc Gross: „Bei Menschen unter 25 wird das nicht funktionieren. Ihnen ist das Unrechtbewusstsein im Zusammenhang mit dem Internet abhanden gekommen und das ist gut so.“ Bernhard Bauch meint: „Musiker werden nicht aufhören Musik zu machen, nur weil sie nicht mehr bezahlt werden.“ Stimmt schon. Blogger werden ja meist auch nicht bezahlt und schreiben trotzdem.

Aber sollte man nicht unterscheiden, ob man mit der Musik und dem Schreiben sein Geld verdienen muss? Dazu fehlen in der Diskussion konkrete Lösungen. Sind Menschen unter 25 wirklich nicht bereit, für Content zu zahlen? Kommt man mit der Frage überhaupt weiter? „Spiegelbest“, anonymer TorBoox-Mensch, verneint das im August 2013 im Süddeutschen-Interview. Er (Sie?) stellt der Flatrate die Grundannahme voran, dass es im Netz kein Eigentum geben kann. Denken die Konsumenten auch so?

TRAUMAWIEN

Lars Sobiraj mit Luc Gross & Bernhard Bauch (TRAUMAWIEN)
Lars Sobiraj mit Luc Gross & Bernhard Bauch (TRAUMAWIEN)

An diesem Problem setzt 2012 der Verlag  (Zitat Luc Gross: „Wir sind ein Verlag! Wirklich!“) TRAUMAWIEN mit seinem Kunstprojekt „KINDL’VOKE GHOSTWRITERS“ an und nutzt das geistige Eigentum der YouTube-Nutzer ganz frei für seine Zwecke. Mithilfe eines selbst programmierten Algorithmus entstehen Ebook-Dramen aus generierten YouTube-Kommentaren. Autor, Titel und Protaginsten werden per Zufall ausgewählt. Der Algorithmus hält sich bei seiner YouTube-Recherche an Amazon-Kategorien, das Erstellen des Ebook-Manuskripts und das Hochladen im Amazon Kindle-Store läuft von allein.

TRAUMAWIEN hat mit diesem voll automatisierten Programm kurzzeitig alle Sicherheitsvorkehrungen von Amazon überwunden. Luc Gross und Bernhard Bauch stellen vor allem die Frage: Wem gehören die nutzergenerierten Inhalte, die „anonymen“ Kommentare im Web? Sie probierten es einfach aus und verkauften den SPAM-Content an die Nutzer zurück (2$ pro Buch). Das Programm lief drei Tage. Ebooks und Accounts wurden danach von Amazon gelöscht.

2013 entwickelte TRAUMAWIEN einen neuen Algorithmus, um Ebook-Bestseller von Piraten-Flatrates mit Werbung zu fluten. Das Projekt regt vor allem zum Nachdenken an. Nehmen wir an, ein Konsument lädt sich die Raubkopie des neuen Daniel Kehlmann herunter. Beim Öffnen der Datei merkt er, dass seine Erwartungen nicht erfüllt werden. Alles totaler Schwachsinn. Oder Kunst.

Was bedeutet die Piraterie letztendlich für die Literatur? Amazon und Google setzen auf Werbung in Gratis-Ebooks und wir Konsumenten bezahlen mit unseren Daten. (Jeff Bezos: „We want to make money when you use our devices“) Als Self-Publisher gibt es für Autoren schon die Möglichkeit, anteilig mehr Geld an ihren Werken zu verdienen. Vielleicht werden mehr denn je Autoren zukünftig zur Institution. Und die Verlage?

Corinna von Bodisco

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