©Lisa Mannagottera

Wie man mit einem Buch unglücklich wird

Der neue Roman von Ruth Herzberg „Wie man mit einem Mann unglücklich wird“ wurde von der Presse sehr positiv aufgenommen. Es handelt sich um das Scheitern einer Nicht-Beziehung in Zeiten der Digitalisierung. Warum ist es dann so, dass ich mich mit der Protagonistin so überhaupt nicht anfreunden kann?

©Lisa Mannagottera

Ich habe mich so auf dieses Buch gefreut – und ich habe es wirklich damit versucht –, aber der Roman und ich, wir haben nicht harmoniert. Lese ich es nicht ironisch oder kritisch genug? Übersehe ich etwas? Nach langem Überlegen muss ich sagen, ich finde die Protagonistin des neuen Romans von Ruth Herzberg leider ziemlich anstrengend…

Also, noch einmal auf Anfang. „Wie man mit einem Mann unglücklich wird“, erschienen bei mikrotext, verspricht auf den ersten Blick (für ein kleines, dünnes Büchlein) sehr viel: Liebe, Obsession, Hingabe, Lust, Wut und Sex. Eine Liebe in Zeiten der Digitalisierung, perfekt für unsere Generation, zudem nur gute Pressestimmen – das klingt alles sehr vielversprechend. Ich erwartete zwei starke Charaktere, sich gegenseitig verzehrend, streitend – eine toxische Beziehung eben mit viel Passion und Stärke (bei beiden (!) Protagonisten). Tja, und ich schätze genau das war mein Fehler.

„Was ich am beeindruckendsten an Männern finde, ist, dass auch die Erfolglosesten unter ihnen mit einem größeren Selbstbewusstsein als jede Frau ausgestattet sind. Männer können ihr ganzes Leben total vermasselt haben, mit einem Haufen Schulden und unbezahlter Rechnungen dastehen, ohne Familie, ohne Job, ohne Wohnung sein, und einen trotzdem immer noch belehren wollen.“ 

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, S. 140/141

Ein Wechselspiel aus „ghosten“ und „warmhalten“ – der Fluch der heutigen Generation. 

Was ich bekam, ist eine immer unsicherer werdende Protagonistin ohne großes Selbstwertgefühl, die sich immer weiter in den Fangarmen eines Narzissten verirrt und das nicht nur reflektiert, sondern auch bewusst mit sich machen lässt. Der Titel ist also Programm – aber das ist nicht das Problem, denn ich schätze jede Person ist in diesem gedanklichen Teufelskreis einmal gefangen gewesen, sich nicht gut genug für die andere Person zu fühlen. Aber mit jeder seiner erneuten Ausreden, jeder verächtlichen Handlung und Respektlosigkeit seinerseits wurde ich beim Lesen wütender. Wieso lässt sie das mit sich machen? Wenn das Liebesleben im 21. Jahrhundert so aussieht, dann danke, nein – ich verzichte. 

Und dabei wirkte es am Anfang noch ganz anders: die Protagonistin weiß ganz genau, was sie will – ihn. Und sie tut alles dafür, dass er bei ihr bleibt. Sie verliebt sich, wird obsessiv und gibt sich selbst hin…äh, oder auf. Er dagegen, ein manipulativer Narzisst wie er im Buche steht, will sie nicht immer, taucht jedes Mal nach ihren unregelmäßigen Sexdates für ein paar Wochen ab und lässt sie allein mit sich zurück. Ein Wechselspiel aus „ghosten“ und „warmhalten“ – der Fluch der heutigen Generation. 

„Ich will versuchen, ein besserer Mensch zu werden, ein würdiges Mitglied der Gesellschaft. Nicht so ein haltloses Weibchen im Würgegriff seiner Hormone.“ 

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, S. 37

Von der selbstbestimmten Frau zur vollkommenen Selbstaufgabe

Ihre Liebe geht in schiere Verzweiflung über, aber zwischendurch hat sie immer mal genug. Das sagt sie jedenfalls oft…und folgt letztendlich nie ihrem eigenen Rat, geschweige denn dem ihrer Freundinnen. Wenn sie auf Abstand geht (und ich denke, da ist endlich ein Licht am Ende des Tunnels) holt er sie direkt wieder zurück in seine Fänge, indem er ihr genau das gibt, was sie sich die ganze Zeit wünscht: Bestätigung, Fürsorge und Aufmerksamkeit. Doch das bleibt meistens nur so lange, bis er wieder die Lust an ihr verliert. Irgendwann bleibt er aber doch bei ihr, mietet sich bei ihr ein, schmarotzt sich in ihr Leben, ohne ihr auch nur ein bisschen zurückzugeben.

Die Protagonistin wird beschrieben als ein typisches Kind der Generation Digitalisierung – schnelllebig, nach Bestätigung haschend, nicht mit sich allein sein könnend. Ihre Gedanken sind ungefiltert und unzensiert – radikal offen. Ich wollte sie in jedem zweiten Absatz schütteln und ihr Vernunft eintrichtern. Wo bleibt denn ihr Selbstwertgefühl? Man muss sich als Frau im 21. Jahrhundert von keinem Mann mehr so behandeln lassen – doch sie nimmt alles in Kauf, denn Hauptsache er ist bei ihr und nicht bei einer anderen. 

„Ich müsse lernen, mir selbst zu genügen, sagt eine Freundin, die schon seit zwei Wochen Single ist, denn sonst käme ich so desperate rüber und das merkten die neuen Bekanntschaften dann und dann klappe das nicht mit dem festen Freund bis zum Ende der Woche.“ 

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, S. 35

Ihre Abhängigkeit und Obsession nehmen im Laufe des Buches immer mehr Besitz von ihr, auch wenn sie regelmäßig reflektiert, dass er ihr nicht guttut, sie kann einfach nicht von ihm los. Für mich fühlte es sich so an, als würde ich den Beginn einer manipulatorischen Abwärtsspirale beiwohnen: Von der selbstbestimmten Frau zur vollkommenen Selbstaufgabe und Unterwerfung. Ich hatte beim Lesen zwischenzeitlich Angst, dass das nur noch in häuslicher Gewalt enden könnte. (Keine Angst, das passiert nicht.)

„Ihrem Liebhaber war es egal, ob sie lebte oder tot war. Er nahm sich Zeit, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie hasste.“ 

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, S. 109

Aber sind wir nicht tougher als das?

Die Abhängigkeit und Naivität der Protagonistin ließen mich regelmäßig das Buch zur Seite legen, weil ich mich nach kurzer Zeit so darüber aufregte, dass ich es nicht schaffte, weiterzulesen. Ich finde ihre Emotionen durchaus nachvollziehbar, authentisch und wahr und trotzdem stelle ich mir dauernd die Frage: Aber sind wir nicht tougher als das? Sie sucht so verzweifelt einen Partner und kann partout nicht mit sich alleine sein – oder ist das doch nur ironisch zu lesen? Bitte klärt mich jemand auf!

„Ich rege mich über gar nichts mehr auf, ich verlange nichts, ich erwarte nichts.“

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, S. 153

Es ist spannend, dass die Autorin keine Namen in ihrem Text verwendet – denn der vorliegende Handlungsverlauf des Romans und so manche Gedankengänge bilden stereotypische Verhaltensmuster ab, die wohl schon einige von uns erlebt haben – Shame on us, die meisten von uns wissen es aber hoffentlich heute besser. 

Ruth Herzberg schreibt sehr dynamisch, wortgewandt, in sehr kurzen Sequenzen, in ihrem eigensinnigen Stil, wie man ihn auch aus ihren Kolumnen in der „Berliner Zeitung“ oder „der Freitag“ kennt. Das Buch ist in vier Abschnitte unterteilt – benannt nach den Jahreszeiten –, was auch die Phasen ihrer Nicht-Beziehung charakteristisch untermauert. Gemäß der Temperaturverläufe erlebt auch die „Beziehung“ der Protagonistin im Sommer heiße Gradzahlen, bevor sie im Winter eiskalt abkühlt.

Schlussendlich hatte ich wohl ganz andere Erwartungen an den Roman, aber sage ich es mal so: Das Buch hat mich sehr intensiv begleitet, es hat in mir sehr starke Gefühlsregungen ausgelöst und wenn das das Ziel der Autorin war, dann hat es auf jeden Fall gut funktioniert. 

Wenn man also kein Problem mit anstrengenden, naiven, schnelllebigen, unsicheren und überemotionalen Gedankengängen hat, ist das Buch einen Blick wert. Wer allerdings schon Erfahrungen mit Narzissten gemacht hat, wird sich wohl stark getriggert fühlen. Ruth Herzberg hat einen spannenden und anstrengenden Roman geschrieben, den ich nicht so schnell wieder vergessen werde. 

Ruth Herzberg: Wie man mit einem Mann unglücklich wird, mikrotext 2021

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