„Das, was ich so mache, ist im Wesentlichen das, wie ich die Welt sehe“

Ralf Husmann ist Autor und Produzent von Serien wie Stromberg und Dr.Psycho, schrieb auch Drehbücher für den Tatort und wurde vom Spiegel als „heimlicher König des klugen deutschen TV-Humors“ gekrönt. In einem kleinen Berliner Zimtschnecken-Café spricht er über seine Arbeit und seine Liebe zum Schreiben.

Interview: Corinna Pertsch

Foto: Jürgen Naber

Du hattest zuerst Publizistik und Philosophie studiert. Was waren deine Ziele und warum hast du dann das Studium abgebrochen, um Kabarettist zu werden?

Ich wollte immer schon schreiben, schon als Kind. Ich habe die ganzen Astronauten-, Lokführer-, Feuerwehrmannphasen einfach komplett ausgelassen und immer gewusst: ich möchte schreiben! Ich bin ein Arbeiterkind aus dem Ruhrgebiet; in unserer Familie gab es keinen Kontakt zu Leuten, die mit Schreiben ihr Geld verdienen. Ich musste also etwas finden, was ich auch meinen Eltern erklären konnte, etwas, womit man Geld verdienen kann. Aber das Studium an sich war eigentlich nichts für mich. Ich habe aber schon lustige Dinge für Szenemagazine geschrieben und auch in der Schule schon fürs Schülerkabarett. Und bald kam über Umwege mein zukünftiger Bühnenpartner zu mir und hat mich gefragt, ob ich das nicht zusammen mit ihm beruflich machen möchte. Da war ich Anfang 20 und dachte, ich könnte das ja mal ein paar Jahre ausprobieren und wenn das nichts für mich ist, studiere ich einfach weiter. Aber das hat dann ziemlich schnell erstaunlich gut geklappt und fiel in die Zeit, in der das Privatfernsehen in Deutschland aufkam. Die haben junge Leute wie uns gesucht, die Lust auf das Thema Fernsehen hatten und haben uns einfach mal machen lassen. In dieser Zeit habe ich viel fürs Fernsehen geschrieben und habe dann auch angefangen mich dafür zu interessieren, wie man Filme macht, was an der Kameraführung wichtig ist, wie man schneidet.

Du hast dann Gags für Entertainer wie Harald Schmidt, Anke Engelke, oder Oliver Pocher geschrieben. Hattest du nicht das ungute Gefühl, dass andere deine Lorbeeren ernten?

Nein, ich bin nicht so wahnsinnig bühnengeil. Ich fand das gut, auf der Bühne was zu machen, ich kann das auch einigermaßen sauber nach Hause fahren, ich weiß aber auch, wo meine Grenzen sind. Da haben andere einen viel größeren Ehrgeiz, und eine sehr wichtige Komponente ist auch die psychische Macke. Alle, die ich kenne, die da unterwegs sind – und ich kenne da fast alle – machen das aus so einer Kompensation heraus. Man will geliebt werden, etwas kompensieren, was man in der Kindheit und Jugend nicht hatte, und dann will man sich das holen, indem die Leute applaudieren. Mein Ehrgeiz in Richtung Applaus ist überschaubar. Ich wollte eigentlich immer nur schreiben, das kann ich gut. Da gibt’s, glaube ich, auch nicht so wahnsinnig viele, die das im deutschen Bereich besser können als ich. Bei der Regie ist das genauso: ich kann das einigermaßen, aber andere können das einfach viel besser als ich.

Gab es einen Zeitpunkt, an dem du das Gefühl hattest, dort angekommen zu sein, wo du schon immer hinwolltest?

Ich war eigentlich immer zu dem Zeitpunkt, wo ich etwas gemacht habe, an dem Punkt, an dem ich dachte, dass ich genau das unbedingt machen möchte. Ich wollte unbedingt eine Late-Night machen, das fand ich super. Das war auch ein Format, das auch mit dem Amerikanischen mithalten… will, zumindest. Das hat mir Spaß gemacht, aber irgendwann hatte ich auch hier, ähnlich wie beim Kabarett, das Gefühl, immer nur dasselbe zu machen. Dann wollte ich Sitcoms machen und habe auch bald bei der Showproduktionsfirma Brainpool den fiktionalen Teil der Firma aufgebaut und eine Weile geleitet. Und auch da hatte ich dann das Gefühl, das zu tun, was ich unbedingt machen möchte.

Du hast als Produzent gearbeitet, als Drehbuchautor, Showrunner, Buchautor, Gagschreiber, hast Regie geführt… Waren das alles Sachen, die du von dir aus in Angriff genommen hast oder kamen die Impulse auch von außen?

Tatsächlich eine Mischung aus beidem. Ich wollte immer mal einen Roman schreiben und dann kam jemand vom Verlag und hat mich gefragt, ob ich nicht Bock hätte, mal einen Roman zu schreiben. Von allein hätte ich das aber nicht einfach gemacht. Ich brauchte bei vielem jemanden, der mich ranführt. Aber das eigene Interesse muss auch schon vorhanden sein. Es gibt dieses Zitat: Luck is what happens when preparation meets opportunity. Und das hat bei mir eigentlich immer gestimmt. Immer, wenn ich gemerkt habe, dass ich eine Abwechslung brauche und überlegt habe, was ich als nächstes tun könnte, mich auf Dinge vorbereitet habe, kamen die Sachen auf mich zu. Die haben vielleicht nicht immer auf Anhieb geklappt, aber dann eben beim zweiten oder dritten Mal.

Wie sieht dein Arbeitsprozess aus? Wie viel Arbeit steckt schon in einer Idee zu einer Serie, bevor du sie einem Sender vorstellst?

Das ist wirklich wenig. Ich habe meistens nur eine grobe Idee, etwas, das mich interessiert. Dann schreibe ich maximal 2-3 Seiten, gehe damit zu einem Sender, schlage noch eine darstellende Person vor und dann gibt’s da auch relativ schnell eine Entscheidung. Der Rest entwickelt sich erst Stück für Stück. Auch meine Figuren sind erst ganz simpel gestrickt. Das meiste wird beim Casting entschieden, wen man weiß, wer was spielt, wie die Schauspieler reden, was das für Typen sind. Wenn mir Schauspieler gut gefallen, schreibe ich die Rollen auch einfach um, so dass die Rolle zum Schauspieler passt und nicht umgekehrt. Es geht ja im Grunde auch nicht um die brutal gute Idee, sondern um die Tonalität. Friends ist ja zum Beispiel auch keine Riesenidee: das sind fünf Leute, die zusammenleben. Erst durch das Casting und das, was man da rein gibt, wird es zu einer originellen Idee. Ich schreibe das Drehbuch eigentlich immer erst, wenn alle Schauspieler feststehen.

Das klingt so, als könntest du sehr viel entscheiden. Bist du bei all deinen Serien Drehbuchautor und Produzent in einem?

Neudeutsch heißt das jetzt Showrunner. Das ist ja das amerikanische Prinzip, das ich so ein bisschen mitgebracht habe. In Amerika wird es schon relativ lange so gemacht, dass die, die das Buch schreiben, in der Regel auch die Showrunner sind. Früher war es noch so, dass die Regie die Entscheidungen getroffen hat. Das hat sich aber sehr verändert. Über das Buch werden die Grundlagen gelegt und daraus entscheidet sich erst, wer die Regie macht. Das ist aber für deutsche Verhältnisse noch ein relativ neues System. Aus meiner Sicht ist es aber total sinnvoll, gerade für komische Sachen. Ich arbeite schon sehr lange so und auch immer mehr Kollegen in Deutschland arbeiten mittlerweile auf diese Weise.

Bist du dann auch immer beim Set dabei, um auch ja alles unter Kontrolle zu haben?

Nee, das ist ja gar nicht mein Job. Ich will da ja nicht als Oberkontrolletti draufsitzen und dem Kameramann sagen, wie er die Kamera zu halten hat, oder der Schauspielerin, wie sie spielen soll. Ich bin relativ selten am Set, eigentlich nur, wenn’s Ärger gibt. Meine Aufgabe ist es, im Vorfeld zu versuchen, alles so gut wie möglich zu machen und mit den Leuten eine gemeinsame Sprache, einen gemeinsamen Humor zu finden, und wenn das geschafft ist, muss man die Leute schon laufen lassen. Und man kriegt ja jeden Tag Muster, da hat man dann schon noch Einflussmöglichkeiten, aber ab einem bestimmten Punkt muss man auch loslassen und akzeptieren, dass bestimmte Dinge nicht so geworden sind, wie man sich das ursprünglich vorgestellt hat. Und dann ist es natürlich auch hilfreich, wenn man selbst vorher gewisse Entscheidungen getroffen hat, die eben dazu geführt haben, dass es keine 100% geworden sind. Wenn man nur Autor ist, kommt man immer genau an den Punkt, an dem man sich fragt, wie man aus diesem tollen Buch so einen Mist machen konnte. Aber wenn ich weiß, warum sich bestimmte Dinge gar nicht anders entwickeln konnten, kann ich das viel besser akzeptieren. Man möchte natürlich so viel wie möglich von der Anfangsidee beibehalten, aber wenn am Schluss noch 50% übrig bleiben, hat man schon viel erreicht!

Trotz all deiner verschiedenen Tätigkeiten arbeitest du dennoch immer humorvoll-unterhaltend. Bedauerst du manchmal, dich nie bedeutsamen gesellschaftspolitischen Themen zugewandt zu haben?

Ich sehe da tatsächlich keinen großen Gegensatz. Es ist ja nicht so, dass Lustiges keine gesellschaftlichen Auswirkungen haben könnte. Mich interessiert das Nebeneinander von Drama und Komik, das muss beides zusammenkommen. Ein Drama, das sich nur ernst nimmt, finde ich meistens auch langweilig. Shakespeare ist auch wahnsinnig lustig, sehr albern, sehr drüber aus heutiger Sicht. Hamlet würdest du heute bei GZSZ als Plot nicht durchkriegen, weil es halt wahnsinnig Gaga ist. Im Grunde geht es nur darum, wie man mit den Figuren umgeht. Der Pate und die Buddenbrooks haben dieselbe Figurenkonstellation, nur einmal im Mafia Milieu und einmal im Lübecker Bürgertum. Und am Ende ist das eine ein Mafia-Action- Spektakel und das andere Hochkultur, aber strukturell gibt es da keinen Unterschied. Und das, was ich so mache, ist im Wesentlichen das, wie ich die Welt sehe. Ich habe nicht das Verlangen, irgendwas dahinzunageln, was so wahnsinnig bedeutungsvoll ist, dass man noch in 100 Jahren davon spricht. Was mich am meisten interessiert, ist der Alltag im Leben und da stehen Tragik und Komik immer nebeneinander. Selbst an dem schönsten Hochzeitstag passiert irgendetwas Unerwartetes, etwas, das skurril ist, und daraus entsteht sagenhafte Situationskomik. Es ist nie alles hundertprozentig geil oder hundertprozentig scheiße, aber es sind alles Geschichten. Und diese Geschichten, wie Menschen miteinander agieren, was sie antreibt, was sie bewegt und verändert: Das sind die Geschichten, die mich interessieren.

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